Ich sah Orhan Pamuk
Gestern Abend war Orhan Pamuk in Luzern. Ihr wisst schon: der Schriftsteller, dessen Bücher ich mit gemischten Gefühlen gelesen habe.
Sehen wollte ich ihn trotzdem. Auf jeden Fall. Dank einer glücklichen Fügung bekam ich sogar noch ein Ticket für den Grossen Saal der Uni, wo er las. Obwohl der Raum, der an die 300 Leute fasst, seit Wochen ausverkauft war.
Ich ignorierte die kleinen Nachschwindel, die ich noch habe, und ging hin. Und es lohnte sich! Der Abend war ein Fest! Gefeiert wurde die Macht der Fiktion. Pamuk kam ganz in Schwarz und Weiss, wirkte ernst, zuweilen fast unleidlich. Er erwies sich jedoch als exzellenter Zeremonienmeister voll abgründiger Ironie. So erzählte er von dem Haus, das er in Istanbul gekauft hat für sein Museum der Unschuld. Es soll das real existierende Pendant zu jener Sammlung werden, die Kemal anhäuft. Kemal, der Held von Pamuks neuem Roman. Alle Gegenstände stammen aus den siebziger und achtziger Jahren. Alle erinnern irgendwie an Kemals Geliebte Füsun. Zusammen sollen sie den Geist von Istanbul anno dazumal heraufbeschwören. Und hier hebt Pamuk ab und berichtet oder liest (aus seinem Roman) von Porzellantierchen, Zigarettenkippen und Sprudellimonade mit Fruchtaroma... doch halt! Solches Getränk habe es in der Türkei damals noch gar nicht gegeben. Also hat Pamuk es erfunden. "Ich bin jetzt mit Designern und Fotografen im Gespräch", sagt er, und es ist das erste Mal, dass er selber lacht. Das Fläschchen solle schliesslich genau so aussehen, als wäre es in den siebziger Jahren auf den Markt gekommen. Dann erzählt er noch mehr leichtfüssige Geschichten von diesem Museum, das noch gar nicht existiert. So viele und so unerhörte, dass man ihm bald kaum noch glaubt, dass es je existieren wird.
"Wann wird dieses Museum denn überhaupt eröffnet?" fragt schliesslich der Professor Thomas Steinfeld, der Pamuk überhaupt erst nach Luzern gebracht hat. Er scheint inzwischen dieselben Zweifel an diesem Projekt zu haben wie der Rest des Publikums. Pamuk beteuert lachend, dass es 2010 so weit sein wird. Wer den Roman besitze, solle ihn dann nach Istanbul mitnehmen. "Auf der Seite 553 gibt es ein Ticket. Das gilt als Eintrittskarte. Sie dürfen es aber nicht aus dem Buch herausschneiden!"
Natürlich sagt er das alles auf Türkisch. Doch er hat einen Übersetzer an der Seite, für den "genial" ein viel zu bescheidenes Beiwort ist: Recai Hallaç. Hallaç ist der lächelnde Zwillingsbruder von Pamuk. Und wie er lächelt! Er hat dieses Lächeln, das Türken manchmal haben, Schweizer nie: ein gelassenes Lächeln voll stiller Freude und Zärtlichkeit für die Welt. Ein Lächeln ohne Kalkül und ohne Aufregung, und das vor 300 Leuten! Und seine Stimme! Sie ist so warm und klar und fest, dass nicht einmal ein leise zischelnder Rückkopplereffekt vom Mikrofon sie zu stören vermag. Er spricht perfekt und jede seiner Gesten sitzt perfekt. Ein Zauberer!
Sie haben einen neuen Fan, Recai Bey! Mehr als einen, wie ich eben in einem anderen Blog lese!
Sehen wollte ich ihn trotzdem. Auf jeden Fall. Dank einer glücklichen Fügung bekam ich sogar noch ein Ticket für den Grossen Saal der Uni, wo er las. Obwohl der Raum, der an die 300 Leute fasst, seit Wochen ausverkauft war.
Ich ignorierte die kleinen Nachschwindel, die ich noch habe, und ging hin. Und es lohnte sich! Der Abend war ein Fest! Gefeiert wurde die Macht der Fiktion. Pamuk kam ganz in Schwarz und Weiss, wirkte ernst, zuweilen fast unleidlich. Er erwies sich jedoch als exzellenter Zeremonienmeister voll abgründiger Ironie. So erzählte er von dem Haus, das er in Istanbul gekauft hat für sein Museum der Unschuld. Es soll das real existierende Pendant zu jener Sammlung werden, die Kemal anhäuft. Kemal, der Held von Pamuks neuem Roman. Alle Gegenstände stammen aus den siebziger und achtziger Jahren. Alle erinnern irgendwie an Kemals Geliebte Füsun. Zusammen sollen sie den Geist von Istanbul anno dazumal heraufbeschwören. Und hier hebt Pamuk ab und berichtet oder liest (aus seinem Roman) von Porzellantierchen, Zigarettenkippen und Sprudellimonade mit Fruchtaroma... doch halt! Solches Getränk habe es in der Türkei damals noch gar nicht gegeben. Also hat Pamuk es erfunden. "Ich bin jetzt mit Designern und Fotografen im Gespräch", sagt er, und es ist das erste Mal, dass er selber lacht. Das Fläschchen solle schliesslich genau so aussehen, als wäre es in den siebziger Jahren auf den Markt gekommen. Dann erzählt er noch mehr leichtfüssige Geschichten von diesem Museum, das noch gar nicht existiert. So viele und so unerhörte, dass man ihm bald kaum noch glaubt, dass es je existieren wird.
"Wann wird dieses Museum denn überhaupt eröffnet?" fragt schliesslich der Professor Thomas Steinfeld, der Pamuk überhaupt erst nach Luzern gebracht hat. Er scheint inzwischen dieselben Zweifel an diesem Projekt zu haben wie der Rest des Publikums. Pamuk beteuert lachend, dass es 2010 so weit sein wird. Wer den Roman besitze, solle ihn dann nach Istanbul mitnehmen. "Auf der Seite 553 gibt es ein Ticket. Das gilt als Eintrittskarte. Sie dürfen es aber nicht aus dem Buch herausschneiden!"
Natürlich sagt er das alles auf Türkisch. Doch er hat einen Übersetzer an der Seite, für den "genial" ein viel zu bescheidenes Beiwort ist: Recai Hallaç. Hallaç ist der lächelnde Zwillingsbruder von Pamuk. Und wie er lächelt! Er hat dieses Lächeln, das Türken manchmal haben, Schweizer nie: ein gelassenes Lächeln voll stiller Freude und Zärtlichkeit für die Welt. Ein Lächeln ohne Kalkül und ohne Aufregung, und das vor 300 Leuten! Und seine Stimme! Sie ist so warm und klar und fest, dass nicht einmal ein leise zischelnder Rückkopplereffekt vom Mikrofon sie zu stören vermag. Er spricht perfekt und jede seiner Gesten sitzt perfekt. Ein Zauberer!
Sie haben einen neuen Fan, Recai Bey! Mehr als einen, wie ich eben in einem anderen Blog lese!
diefrogg - 23. Okt, 10:47
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