18
Dez
2013

Böser Geist

Ihr könnt meine Knochen unten am Strassenrand begraben. So kann mein böser alter Geist auf einen Bus aufspringen und fahren.*

Das sang einst Robert Johnson.

"Mann!" denkt ihr jetzt. "Warum führt uns Frau Frogg so einen grauen Blues-Opa vor?! Wir wollen hier etwas Persönliches, mehr human interest!" Nun, das hier ist gerade human interest für mich. Ich kann Musik hören, und ich höre - und sehe - Blues Dokumentarfilme über Robert Johnson. Ich bin hingerissen von dieser hypnotischen Stimme, von dieser getriebenen Gitarre, von diesem Schalk, der manchmal aufblitzt. Ich erkenne eine verlorene Seele, wenn ich sie so herzzerreissend vorgeführt bekomme.



Mit 18 wurde Johnson eine Weile konventionell. Er heiratete ein Mädchen namens Virginia, und die beiden arbeiteten zusammen auf dem Land - irgendwo im Tiefen Süden der USA. Das war 1929. Robert spielte nur noch ab und an Bars, um etwas Geld dazu zu verdienen. Als Virginia schwanger wurde, ging sie zurück zu ihren Eltern. Robert zog los und machte Musik.

Als er zurückkam, war Virginia im Kindbett gestorben. "Das war Deine Schuld", sagten die Verwandten zu Robert. "Du machst diese Teufelsmusik. Das ist die Strafe dafür." Da war er 19. Danach verlieren sich seine Spuren für eine Weile. Als er wieder auftauchte, spielte er Gitarre wie ein Besessener. Es heisst, er habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, um so gut Gitarre spielen zu können.

Er war bitter arm wie alle Afroamerikaner des Südens in den 30er-Jahren. Aber er hatte eine Leidenschaft: Schallplatten aufnehmen.



Viel Zeit blieb ihm nicht dafür. Er starb mit nur 26 Jahren. Das war 1938. Und wie alles im Leben des Mannes bleibt auch sein Tod düster und rätselhaft. Es scheint wahrscheinlich, dass jemand ihn aus Eifersucht vergiftet hat. Freunde brachten ihn in eine Hütte, wo er sich vier Tage lang vor Schmerzen gekrümmt haben soll. Auf seiner Sterbeurkunde steht unter Todesursache: "no doctor".

Ob er wusste, dass seine Musik die Saat für den Rock 'n' Roll enthielt? Für jene Musik, die später die Welt eroberte? Die zwei oder drei Generationen westlicher Jugendlicher aus den Fesseln überkommener Konventionen befreien würde?

Es ist denkbar. Ihm stand ein bemerkenswerter Durchbruch bevor. Kurz nach seinem Tod gab es in der Carnegie Hall in New York ein grosses Konzert mit Blues- und Jazz-Grössen statt. Johnson's Name stand auf dem Programm. Es soll das letzte gewesen sein, was man ihm sagte, bevor er starb. Hier mehr dazu.

* "You may bury my body down by the highway side so my old evil spirit can get a Greyhound bus and ride."*

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Shhhhh - 18. Dez, 21:28

Der Pakt mit dem Teufel erinnert ein wenig an den Schwarzen, der zusammen mit den drei Sträflingen ein Lied im Radio aufnimmt und später beinah vom Ku Klux Klan verbrannt worden wäre ("Oh brother where art thou").

diefrogg - 19. Dez, 18:18

Da sprechen Sie...

einen Lieblingsfilm von mir an, Herr Leise Töne. Natürlich erinnere ich mich an den afroamerikanischen Gitarristen, der mit den Soggy Bottom Boys "Man of Constant Sorrow" aufnahm, aus dem ein Hit wurde.

Das Motiv des Gitarristen, der nachts auf einer Kreuzung einen Pakt mit dem Teufel schliesst, könnte im US-Süden ein recht verbreitet gewesen zu sein.

Möchtegern-Experten streiten gerne, ob es europäische oder afrikanische Wurzeln hat. Ich bin nicht mal Möchtegern-Expertin. Ich sehe, dass die afrikanische These ihre Stärke hat. Sie besagt, dass "der Teufel" an der Kreuzung der Abkömmling eines afrikanischen Gottes und eine Figur aus der Voodoo-Tradition ist. Eine Figur, die gute Gaben ohne das Preisschild mit der Aufschrift "ewige Verdammnis" stifteten (Hier mehr dazu. Sie hat den Vorteil, dass sie den Empfänger selbstbewusster aussehen lässt.

Aber mir als Innerschweizerin sticht der europäische Bezug ins Auge: "Faust", und dann natürlich die Urner. Dies schlossen im Mittelalter einen Pakt mit dem Teufel, damit er ihnen eine Brücke über die brandgefährliche Schöllenenschlucht baue. Er tat es, und damit war die grösste schweizerische Transitroute von Deutschland nach Italien eröffnet - der Gotthardpass.

Die Gemeinsamkeit: Da will ein Einzelner - oder will ein kleines Kollektiv - etwas, was den bisherigen Horizont der Anwesenden übersteigt, was unerhört ist und einen hybristischen Zug hat. Den Urnern gelingt es interessanterweise, den Teufel zu überlisten, als dieser seinen Lohn abholen will. Wobei: Immer, wenn am Gotthard irgendein Chaos ausbricht, heisst es: Jetzt rächt sich der Teufel doch noch.

Aber das ist im Grunde ja alles nicht so wichtig. Der "Devil at the Crossroad"-Mythos ist ein Geschöpf des US-Südens, wahrscheinlich ein Volksdichtung und damit vieldeutig und zur Wiederverwertung freigegeben. Niemand hat eine absolute Deutungshoheit darüber.
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