23
Sep
2012

Hochzeiten, Beerdigungen

Mein letzter Eintrag war vielleicht etwas kryptisch. Ich finde, ich sollte noch ein paar Erläuterungen hinzufügen.

Natürlich - er dreht sich um mein schwaches Gehör. Damit sieht es im Moment etwa so aus: Wenn ich unendlich sorgsam mit mir umgehe; wenn ich keinerlei Stress habe; wenn ich lebe wie eine Einsiedlerin; dann kann ich manchmal wieder ein paar Stunden oder Tage lang Musik hören. Und sie klingt sogar wie früher. Vorausgesetzt, das Wetter ist richtig.

Aber der geringste Stress kann das fragile Gleichgewicht der Flüssigkeiten in meinem einst guten Ohr zum Kippen bringen. Manchmal reicht ein Föhnlüftchen oder ein Kaltfröntchen. Und dann klingt Musik wieder nur wie Lärm.

Dabei unterscheidet mein Ohr überhaupt nicht mehr zwischen gutem und schlechtem Stress. So ist Frau Frogg ein durchaus geselliger Mensch. Aber in letzter Zeit bekommt sie schon einen Hörsturz, wenn sie nur an eine grössere Menschenansammlung denkt - egal ob Hochzeit oder Beerdigung.

Aber kann man für den Rest seines Lebens Hochzeiten und Beerdigungen fernbleiben, nur um zwischendurch ein paar Takte Musik hören zu können?

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https://froggblog.twoday.net/stories/156265043/modTrackback

Britt M. - 23. Sep, 23:27

Hochzeiten und Beerdigungen kann man ja meistens mit Musik hören verbinden - aber das hilft Ihnen, liebe Frau Frogg, sicher auch nicht weiter und ist wahrlich kein Trost.

Ich kann Ihr Problem gut verstehen, denn mir geht es oft in Gesellschaft von mehr als einer Person so, dass ich nur noch wenig von der Unterhaltung mitbekomme. Oder synchronisierte Fernsehfilme - mir vergeht oft der Spaß, weil ich nichts verstehe. Es ist nicht unbedingt die Lautstärke, es ist irgendetwas anderes, das Sprache nur noch wie Geräusche an mein Ohr dringen lässt. Keine Ahnung - und zu faul und feige, um zum Arzt zu gehen ...

diefrogg - 24. Sep, 13:17

Liebe Britt,

Nach einer weiteren, desaströsen Erfahrung in unserer Cafeteria heute Mittag erlaube ich mir, Ihnen einen gut gemeinten Rat zu geben. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel - und ich bitte Sie um Verzeihung, falls die Bemerkung unangebracht ist! Aber wenn Sie derartige Probleme haben, unbedingt zum Ohrenarzt! Und wenn Ihnen ein Hörgerät hilft: Unbedingt eins besorgen! Ohne mein Hörgerät am linken Ohr wäre ich noch viel besch... dran - es verbessert meine Lebensqualität wirklich erheblich (auch wenn meine Beiträge gelegentlich etwas anderes nahe legen. Aber ich bin wirklich sehr schwerhörig an manchen Tagen).

Es ist keine Schande, ein Hörgerät zu tragen (und falls Sie es doch so empfänden: Wir Frauen können es mit einem passenden Haarschnitt hübsch kaschieren).

Fernsehen tue ich generell mit Untertiteln (am Schweizer Fernsehen auf Teletext 777). Das hat - zumindest in der Schweiz - den angenehmen Nebeneffekt, dass man amerikanische Arztserien in der Originalsprache gucken kann.
Britt M. - 24. Sep, 22:45

Vielen Dank, liebe Frau Frogg, für den Anstoß. Ja, ich sollte einen Besuch beim Ohrenarzt in nicht allzu ferner Zeit in Erwägung ziehen ...
Falkin - 25. Sep, 05:29

...diese Synchronizitäten sind so frappant. Es ist IHR Blog und ich halte es für unangemessen erneut mit diesen Schlenkern auf mich zu verweisen, erlaube es mir dennoch... da eben dieses Ausschwingen immer wieder zu einer (vermuteten) froggfalkinösen Schnittmenge führt. Sagen wir es so: auf den wilden Ozeanen, glaube ich, Sie, liebe Frau Frogg, auf jenen Inseln des Kürzesten Nenners (an die mich die Meere spucken und ich am Ufer jappsend versuche zu mir selbst zu kommen) wiederzuerkennen. Oder weniger kryptisch und Klartext:

....ich bin ein äußerst geselliger Mensch. Früher... das war mein Zuhause das, was mein Blog (Vingolf = freundliches Haus, Gasthaus) darstellen sollte: eine wärmendes Feuer, an dem sich alle treffen konnten. Oh, ich liebte es allerdings auch die Nächte zu Tagen zu machen, sie und das Leben zu verteufeln, wahlweise zu feiern. Ich gehöre zu jenen, die exzessiv das Leben soffen. Berauscht war ich. Teils. Und oft ernüchtert. Und fand mich dann wieder... nach vielen Ab- und Aus-wegen ...hier in Brandenburg verbandscheibensalatet. Und allein.

...da war nichts mehr mit "auf eigene Achse" neue Welten konstruieren, nichts mehr mit "neugierig Fährten folgen, die es noch garnicht gibt"... auch die Freunde blieben aus, die sich früher lachend und jauchzend in mein Fahrwasser schmießen. Ich sitze hier fest. Punkt. Weit und breit nur Acker. Ich liebe diesen Acker, ich liebe diese Ruhe. Aber ich liebe auch Geselligkeit. Niemand da. Wenn es mich "packt" und ich "losstiefele", oder mich sonstwie zu Anlässen hin kutschieren lasse, dann überkommt mich schneller als hier in der Einöde der Schmerz. Jener Schmerz, der nach meinem Bein greift und es mir wegzieht, so dass ich das Gleichgewicht verliere. Was aber ist eine beinlose Weltentänzerin? Versuche ich das alte Selbst zu leben, werde ich bald meiner Grenzen erinnert. In das neue habe ich mich aber noch nicht eingefunden. Soll Wohlbefinden für mich Abgeschiedenheit, Dialog das Lauschen dem Zwitschern der Vögel meinen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass all das Vertraute, welches ich auf meiner Lebensreise sammelte, jene Attribute, die ich eifrig in den Personalausweis meines Lebens Kritzelte, nicht mehr stimmig sind. Damit komme ich an keiner Grenze durch.

Hier... im Himmlischen Palast... zwischen Waschbären und Falken, zwischen Schwalben und Maulwürfen... da kann ich tanzen. Wild, ausgelassen. Manchmal. Aber nicht mehr zwischen Menschen. Im Moment nicht. Nie wieder? Die Kraft sammeln, um dann fünf Minuten einer Erinnerung aufzusitzen? Nein, ich glaube, der Gaul wurde nur schein-animiert. Da geht.s i-wo anders lang.... auf dem Pfad mit den vielen Abzweigungen, der so im Dunklen liegt.

Aber ich glaube auch, dass wir pränatal das ähnliche Paket buchten, Frau Frogg. I-was mit Zusatzmodulen und Herausforderungen an das Selbst. Es hat wohl mit dem äußerst robusten wie empfindsamen Holz zu tuen, aus dem wir geschnitzt sind. Aber das hilft nun weder Ihnen, noch mir weiter. Hm.

diefrogg - 25. Sep, 12:44

Ja, das Festsitzen!

Ob verbandscheibensalatet oder menieriert - ein unangenehmer Zustand. Frelich - so gesellig, so gastfreundlich wie Sie war ich wohl nie. Ich liebte das gesellschaftliche Leben meiner Stadt, war gerne unter Freunden. Aber wir beide müssen uns neu erfinden, das scheint unausweichlich.

Dass der Gaul nur scheinbar reanimiert war - tut mir leid, das zu lesen. Sie klangen so optimistisch vor einer Weile! Wenn ich mich je wieder auch menieriert zu reisen wage - dann werde ich Sie in Brandenberg heimsuchen - und dabei SEHR vorsichtig sein, damit es Ihnen das Bein und mir das Ohr nicht wegzieht.
Falkin - 26. Sep, 06:15

...mit dem Gaul meinte ich die Erinnerungen, werte Frau Frogg. So, wie früher wird.s nimmer werden. Bestes Beispiel gestern... ich war ungefähr sechs Stunden zu Fuß in Berlin unterwegs. Nun kenne ich Berlin seit den 80ern und bin teil.s schockiert, was aus dieser ehedem so atmosphärischen und inspirierenden Stadt geworden ist. Ich schritt von Straßenzug zu Straßenzug und urplötzlich warf mich der Schmerz aus der Bahn. Unerwartet. Betäubend. So lungerte ich am Laternenpfahl, schnappte Luft... bis mir klar wurde, ich mag nicht sein, wo ich bin. Dass es nicht "meins ist". Mir nicht gefällt und mir nicht wohl tut, was ich dort sehe. Der von Nachlässigkeit und Lieblosigkeit zeugende Schmutz, das drohgebärdliche aus allen Ecken quellende Poser-Gehabe... Und im Schneckengalopp zog ich ins nexte Stadtviertel.... der Schmerz ließ nach, bis ich schließlich in Dahlem angelangte, wo ich schmerzfrei einen Kaffee und sehr leckeren Apfelkuchen genießen konnte. Das Umfeld hat sich verändert. Ich habe mich verändert. Es gibt neue Koordinaten und neue Vorzeichen, in und mit denen ich mich definieren "muss". Und damit tue ich mich noch halbwegs schwer. Aber vielleicht geben diese derart erfahrenen Sackgassen auch den Blick auf neue AusWege frei.

...geh- und schmerz-technisch ging es mir bereits im Laufe des gestrigen Abends wieder gut. Sehr kurios mein Körper. Und irgendwie auch genial. Seine Sicht und Sprache, mir klar-zu-machen, wo er voran-kommen kann und will.

Also bleibt die Neu-er-Findung.... ich bin gespannt, wohin uns das Leben trägt...

...und bezüglich der Heim-Suchung sind Sie herzlich willkommen, geschätzte Frau Frogg. Wenn ich jemanden zutraue, auch Schweigen zu ertragen und damit auszusagen, dann sind sicherlich Sie eine von den Wenigen. Vermutet jemand, der die Sensibilität besitzt Grenzen zu setzen und akzeptieren. Wir könnten auch den Schwalben beim Flug zuschauen, den Walnüssen beim Fallen, oder uns von den Vibrationen des Klavieres zu uns selber tragen lassen. Ich freue mich darauf!
diefrogg - 29. Sep, 10:29

Zweifelsohne:

froggfalkinöse Bezugspunkte à discrétion! Auch bei mir reagiert soffffort das Ohr, wenn mir etwas nicht liegt. Nun tue ich seit Wochen etwas, was ich an sich gerne täte - hart arbeiten. Aber es liegt mir einfach nicht mehr. Morgens wache ich auf und höre gar nichts mehr ausser dem vielstimmigen Gedröhn, Gepfeif und Geklarinettle in meinem Kopf (ich habe Klarinetten nie sonderlich gemocht). Es treibt mich zur Verzweiflung. Die Lage ist ungewiss. Der Gaul bockt. Wenns ganz schlimm wird, dreht sich der Laternenpfahl.

Was Sie die von Berlin berichten, gibt doch sehr zu denken. Ich war 1998 zum letzten Mal in Berlin. Muss alles anders sein als damals! Ein grosses Dankeschön für die Einladung und das darin zum Ausdruck kommende Vertrauen. Ich liebe Walnüsse und werde die Vibration des Klaviers mit den Handballen spüren! Ich werde sie annehmen, sobald ich es mir zutraue, darauf können Sie Gift nehmen!
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