22
Jan
2017

Pussies



Seit Stunden schaue ich mir Bilder von den Women's Marches an, die gestern weltweit gegen Donald Trump stattgefunden haben. Dass die Amerikaner diesen Milliarden-Pleitier und Menschenverächter zum Präsidenten gemacht haben, schockiert mich noch immer zutiefst. Das ist ein GAU für die Demokratien des Westens. Der Aufstand der Frauen kommt spät, aber er kommt Gottseidank, und er ist wunderschön, witzig und überwältigend gross. Möge ihm bald die Absetzung des neuen Präsidenten folgen!

7
Jan
2017

Musik in meinen Ohren


Frau Frogg ist in grauer Vorzeit Beatles-Fan gewesen. Seither hat sich vieles geändert

Achtung, dies ist ein Klagelied! Es tut mir leid, ich kann nicht anders. Dominik Leitner ist schuld. Er hat uns in seinem Projekt *txt das Stichwort mittlerweile gegeben. So ein Wort ist ein Steilpass für jemanden mit einer chronischen Krankheit - es fordert geradezu dazu heraus, die Veränderungen zu untersuchen, die zum Beispiel so ein Morbus Menière bewirken kann. Ich verspreche, dass ich dafür auch einen Beitrag zum neuen Wort Hoffnungsschimmer schreiben werde.

Als Teenager war ich Beatles-Fan. Ich hörte noch tiptop, und ich kannte sämtliche Beatles-Songs ohne Ausnahme. "Please Please Me" war ein Favorit von mir, dieser sehnsuchtsvolle Chor, dieses eindringliche Gitarrenriff - ich muss das Lied an die hundertmal gehört haben.

Neulich machte ich Weihnachtseinkäufe und betrat einen Laden mit dänischem Schnickschnack. Das Geschäft war proppenvoll und nebst allem anderen Lärm und meinem Tinnitus jaulte auch noch eine Gitarre falsch aus einem Lautsprecher. Jemand sang abgehackt und zwischendurch traktierte ein Drummer sein Instrument. Es musste eine Minute in den Song hinein sein, als ich plötzlich die Zeile "Last night I said these words to my girl" verstand. Sofort wusste ich: Das ist "Please Please Me" - aber die Melodie hätte ich nie erkannt. So ist es, schwerhörig zu sein.

Ich hatte keine Zeit, darüber traurig zu sein. Ich fand statt dessen den dänischen Schnickschnack einfach saublöd und verliess den Laden so schnell wie möglich.

So bin ich mittlerweile: schnell gereizt, schnell bereit, Dinge langweilig oder ärgerlich zu finden. In ständiger Angst vor dem nächsten Schwindelanfall und vor Situationen, denen ich mit meinem schlechten Gehör nicht gewachsen sein könnte.

Ich bin einmal ganz anders gewesen, versichere ich mir mittlerweile oft. Ich hatte Selbstvertrauen der Jugend. Ich hatte zu allem etwas zu melden. Ich konnte Musik hören und reisen und wusste stets, was es zu Bloggen gab. Aber ich habe wenig Kraft im Moment. Das einzige, was ich gerade wirklich gerne tue, ist lesen und schlafen.

3
Dez
2016

Messerlis Finger

Neulich setze ich mich zum Mittagessen in der Cafeteria zum Kollegen Messerli - er ist in Begleitung einer jungen Frau, die er mir als die Praktikantin Diana vorstellt.

Messerlis Ehefrau kocht gerne, und so bringt er sein Mittagessen oft von zu Hause mit. Heute hat er rohes Gemüse dabei, das er in eine Dip-Sauce taucht. Diese hat ungefähr die Farbe und Konsistenz von etwas zu flüssiger Erdnussbutter. Bald ist das Gemüse alle. Vom Dip dagegen ist noch eine Menge da. Das Sösseli scheint schmackhaft zu sein. Denn während Messerli mit seiner üblichen Leichtigkeit konversiert, taucht er bald den Finger tief in das durchsichtige Plastikgefäss, führt ihn mit erdnussbuttriger Last zum Mund, steckt ihn hinein und leckt ihn genüsslich ab. Das tut er, bis im Plastik nur noch ein paar schleimige Reste übrig sind - und dann tut er es wieder. Zweimal, dreimal, viermal. Ich glaube, er merkt gar nicht, was er tut.

Ich lasse bei Leuten, die gut plaudern, gerne puncto Tischmanieren die Fünf gerade sein. Man ist ja selber nicht perfekt. Aber Messerlis Gelecke ekelt mich doch ein bisschen. Und als ich Diana einen Seitenblick zuwerfe, sehe ich, wie sie angewidert die Mundwinkel nach unten zieht. Die jungen Leute sind ja in solchen Dingen noch viel heikler als wir Endvierziger.

Es ist an mir, Messerli zu stoppen. Diana wird es nicht tun, dafür hat sie hier zu wenig zu melden. Ich bin die ältere und theoretisch im Besitz von genügend Autorität. Aber ich winde mich. Um ehrlich zu sein: In solchen Momenten fehlt es mir an Fingerspitzengefühl und Zivilcourage. Ich meine: Man muss bei einer solchen Sache locker und fröhlich bleiben, sie zur Sprache bringen, als ob sie eine amüsante Kleinigkeit wäre. Sonst erreicht man nicht, was man erreichen will und riskiert eine blöde Retourkutsche. Und mit blöden Retourkutschen bin ich nie besonderes gut gewesen.

Messerlis durchsichtige Plastikgefäss hat schon fast ein speichliges Loch von Messerlis Finger, als ich endlich locker und fröhlich herausbringe: "Hör auf damit, Messerli, es ist ja nichts mehr da!"

Hat es funktioniert? Ja, hat es. Zum Glück.

Dies ist ein neuer Beitrag zu Dominik Leitners famosem Projekt *txt. Gewissermassen in letzter Sekunde habe ich noch etwas zum elften Wort, "Fingerspitzengefühl" hinbekommen

21
Nov
2016

Putztag in Grossmutters Laden



Meine Grosseltern hatten eine Bäckerei am Dorfrand. Und weil es damals noch weit und breit keinen anderen Lebensmittelladen gab, verkaufte meine Grossmutter nicht nur Brote, Weggli und Nussgipfel - sondern alles, was die Nachbarn so brauchten: Milch und Reis, Wienerli und Päcklisuppen, Rivella blau und Coca Cola, Gummibärli, Waschpulver und Tabakwaren. Als ich ein Kind war, verbrachte ich dort oft meine Ferien.

Schon meine Grossmutter war kein Putzteufel. So entdeckte ich eines Tages im Gestell mit den Tabakwaren eine Spinnwebe. Ich entschloss mich, gleich das ganze Gestell zu reinigen. Meine Grossmutter liess mich gewähren. Ich war noch keine zehn Jahre alt, und es war das letzte Mal in meinem Leben, dass ich nicht aus schierer Notwendigkeit putzte. Der Tabak krümelte ein bisschen, als ich die blauen Pakete aus dem Gestell räumte.

Aber es machte Spass, und so kam auch das Reisgestell an die Reihe. Und dann der Boden, wo die Waschmittelpackungen sich stapelten. Mittlerweile war ich ermüdet und wollte den Waschmittel-Turm nicht auch noch abräumen. Ich putzte den Boden um den Turm herum - es muss dabei ziemlich feuchtfröhlich zugegangen sein, denn die unterste Waschmittelpackung hatte bald ein nasses Loch in einer Ecke. Ein Waschpulver-Rinnsal ergoss sich auf den nassen Boden. Ich wollte das aufgeweichte Pulver wegputzen, beschädigte dabei den Karton noch mehr, und schon knickte das Behältnis ein, neigte sich der Turm zur Seite, und dann berührte die zweitunterste Packung die nassen Fliesen. Es war wie beim Goethes Zauberlehrling. Je mehr Waschpulver ich wegputzte, desto mehr kam nach. Bald schäumte es im Ladenlokal.

Schliesslich schritt Grossmutter doch noch ein und warf mich aus dem Laden. Es war das einzige Mal, dass sie wütend auf mich war, jedenfalls für fünf Minuten.

Zu Herrn Trittenheims inspirierendem Projekt "Die Läden meiner Kindheit" - Hier weitere Beitrage von Mitbloggern

16
Nov
2016

Enttarnt

"Neeeein, nicht noch ein Beitrag über diese Autorin Elena Ferrante!" höre ich jetzt einige von Euch rufen. Aber Ihr müsst da jetzt durch, denn ich habe etwas zu dem Thema zu sagen. Ich bin vielleicht die erste Leserin auf der Alpennordseite, die alle vier Bände des "Napoletanischen Quartetts" mit den Heldinnen Lila und Lenu verschlungen hat (auf Englisch - Italienisch kann ich zu wenig gut).

Und? Was soll ich Euch verraten über diese circa 1500 Seiten, auf denen zwei Italienerinnen um ein besseres Leben kämpfen? Fragt, wenn Ihr etwas wissen wollt! Hier nur so viel: Die Lektüre lohnt sich. Ferrante gibt uns eine vielschichtige Chronik weiblicher Erfahrung in den letzten sechs Jahrzehnten - und ein paar tief erschütternde Wendungen im Plot.

In den Medien war die Enttarnung der Autorin die noch grössere Sensation als die erstaunlichen Verkaufszahlen ihrer Bücher. Irgendein Journalist will herausgefunden haben, wer sich hinter dem Pseudonym Elena Ferrante verbirgt. Sie soll eine Übersetzerin in Neapel sein, deren Namen ich nicht zu wiederholen brauche. Hierzulande kennen sie wohl nur die wenigsten. In Neapel dürfte das anders sein - die Literaturszene ist dort wohl nicht sehr gross. Für die Frau, die sich angeblich hinter dem Pseudonym verbirgt, dürfte sich fast alles verändern.

Aber warum wählt so jemand überhaupt ein Pseudonym? Nun, wir als Blogger verstehen das: Wir erzählen am besten unter dem Schutz unseres Nicks. Wir erzählen am wahrsten, wenn wir für unsere Leser wie eine Fremde im Zug sind. Ich für meinen Teil möchte nicht, dass meine Arbeitskollegen oder - Gott bewahre! - meine Chefs meinen Blog lesen.

Vielleicht ist es das, was mir das Schreiben in letzter Zeit schwerer macht. Mittlerweile habe ich nur noch wenige Leserinnen und Leser. Ich habe den Verdacht, dass die meisten mich persönlich kennen. Versteht mich bitte nicht falsch - es rührt mich jedes Mal, wenn ich höre, dass mich überhaupt noch jemand liest. Aber manchmal verschlägt es mir deswegen fast die Sprache.
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