22
Aug
2013

Mit Magie gegen Wespen

Kaum lag die frisch grillierte Wurst auf dem Teller, schwirrte eine Wespe heran. Mein Vater wedelte mit den Armen und sagte zu mir: "Wusstest Du, dass Dein Grossvater Wespen bannen konnte?"

"Wespen bannen?" sagte ich. "Was soll denn das sein?"

Da erzählte er: "Einmal mähten mein Vater, mein Bruder Jakob und ich eine Wiese am Hang. In einem Erdloch war ein Wespennest - und als wir mit den Sensen näher kamen, kamen die Viecher auf uns los. Da sagte mein Vater zu uns: 'Geht mal da vorne um die Ecke. Ich kümmere mich darum.' Wir gingen weg. Ich glaube, er sagte irgendetwas zu ihnen. Kurze Zeit holte er uns wieder, und wir mähten weiter. Da war keine einzige Wespe mehr. Erst als wir fertig waren, kamen sie wieder aus dem Loch."

Ich hätte zu gerne gewusst, wie mein Grossvater das gemacht hat. Aber keines der vier Frogg-Kinder hat ihn je danach gefragt. In letzter Zeit habe ich dennoch oft an Grossvaters Magie gedacht. Wir haben ja eine wahre Wespenplage heuer. Ich übte das Wespen bannen. Ich hatte ja selber schon gute Erfahrungen einem Trick gemacht: dem so genannten Öpferli-Trick.

Es war in Sardinien auf einer Velotour. Die reifen Feigen fielen uns in den Mund. Wenn wir dennoch Hunger hatten, setzten wir uns an den Strassenrand und packten saftigen Prosciutto aus. Die Wespen waren nie weit. Es war lästig. Aber irgendwann begriff ich: Die wollen nur fressen - in Ruhe! Also begann ich, ihnen jeweils ein Stückchen Schinken hinzulegen - das Öpferli. Und siehe da: Die Insekten machten sich darüber her und liessen uns essen.

In letzter Zeit habe ich versucht, mit den Wespen zu sprechen - natürlich telepathisch, meine Tischgenossen hätten mich sonst für gaga gehalten. Bei uns zu Hause erzielte ich - das glaube ich jedenfalls selber gerne - erste Erfolge: Ich befehligte einzelne Wespen von unserem Teller in den nahen Kompost.

Aber heute ging mir der Öpferli-Trick furchtbar nach hinten los: Ich sass mit drei Kollegen auf der Wiese beim Picknick und demonstrierte ihn mit einem Stückchen Poulet. Zunächst ging alles gut. Aber plötzlich schwirrten um jeden von uns ein halbes Dutzend Wespen. Als hätten sie sich in uns verliebt.

Ich hatte Panik!

21
Aug
2013

Überbewerteter Krimi

Diesen Krimi gibt es zwar erst auf Englisch. Aber er wird auch im deutschen Sprachraum ein todsicherer Bestseller werden. Er ist das Werk, das Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling unter falschem Namen herausgegeben hat.

Ich musste es lesen - denn ich liebte Harry Potter! Es soll ja auch enthusiastische Kritiken gehabt haben, noch bevor die wahre Identität von Robert Galbraith aufflog. Und es hat Stärken: Es erzählt kompetent über das Leben in der Londoner Schickeria - darüber weiss die Autorin Bescheid, sie gehört ja selber dazu. Sie beweist auch ein gutes Händchen für Dialoge. Und, klar: Das Buch ist ein "pageturner", wie es im britischen Buchhändler-Slang heisst. Zu Deutsch: Man verschlingt es.

Insgesamt scheint es mir aber überbewertet.

Seine offensichtlichste Schwäche ist sein charmanter Plauderton. Er passt nicht zum Helden. Privatdetektiv Cormoran Strike ist eine arme Sau. Er hat in Afghanistan ein halbes Bein verloren - und zurzeit übernachtet er im Büro, weil ihm auch noch sein Privatleben um die Ohren geflogen ist. Ein solcher Held muss sich behaupten, seine Männlichkeit beweisen. Aber Rowling zeigt ihn nicht dabei. Wie ein Autor seinen Helden in einer solchen Lage zeigen kann, hat anno dazumal Raymond Chandler vorgemacht. Da kommt jeder Satz knapp und schnell wie aus der Pistole. Es sind Sätze für einen Selbstbehauptungs-Künstler. Unerreicht.

Mir gefällt auch nicht, wie die Autorin die Leserin durch den Fall führt: Sie breitet die Story aus wie einen Orienttepich mit einem labyrinthischen Muster. Reihenweise Dialoge mit unendlich vielen Hinweisen. In vielen Krimis - zum Beispiel bei Elizabeth George - haben Detektive Partner. Mit ihnen diskutieren sie Hinweise und führen den Leser so auf die richtige, oft auch erst mal auf ein paar falsche Fährten. Strike aber tauscht sich nicht einmal mit seiner cleveren Sekretärin Robin aus. Er lässt den Leser über den Teppich tappen, orientierungslos, viel zu lange. Und zaubert schliesslich die Lösung unter ihm hervor hervor wie ein Lehrmeister in Hogwarts.

Auch als ich das Buch zum zweitenmal las, konnte ich nicht restlos nachvollziehen, wie er das gemacht hat.

Ja, Ihr habt richtig gesehen: Ich habe das Buch zweimal gelesen - und beim zweiten Mal ein paar köstliche Aha-Erlebnisse gehabt und auch gelacht.

Aber ob das ein Zeichen von Qualität ist? Ich bin mir nicht sicher.

16
Aug
2013

Adieu sächsische Schweiz!



Das Bild hier habe ich Mitte Juni auf der Bastei in der sächsischen Schweiz gemacht. Die merkwürdige Stange auf dem Felsen ist eine Wetterfahne in Gestalt eines Mönchs - vom Wind zum magersüchtigen Sportsfreund verdünnt.

Ich könnte noch wochenlang von der sächsischen Schweiz erzählen. Ich könnte von der Bastei und Pirna und den Dampfschiffen erzählen. Ich könnte berichten, wie ich im unwetterversehrten Bad Schandau vergeblich ein Eis zu kaufen versuchte. Touristische Frivolitäten haben in solchen Zeiten ihre Grenzen, musste ich lernen. Disziplin aber muss auch in solchen Zeiten sein: In Pirna verlängerten die Angestellten der Stadtbibliothek noch 5000 Leihfristen, bevor das grosse Wasser kam. Das lasen wir in der Sächsischen Zeitung.

Überhaupt: die Sächsische Zeitung. Sie wurde zu unserem Leib- und Magenblatt. Die Kioskfrau an der Ecke rollte sie jeweils für Herrn T. zusammen, noch ehe er "Guten Morgen" gesagt hatte. Die Sächsische Zeitung erklärte uns auch, dass ein harmloser Fluss namens Potatschke jene Wohnung in Königstein verschlammt hatte, die wir dann nie sahen. Als die Elbe in den Städtchen stand, blieb die Potatschke klein und harmlos. Aber das Hagelgewitter danach brachte ihr so viel Dreck, dass sie ihren eigenen Kanal zuschlammte. Eine weitere Katastrophe für Königstein.

Überhaupt: das Grosse Wasser. Wir bemühten uns ja, ihm nicht zu grosse Aufmerksamkeit zu schenken. Aber als wir am 26. Juni wieder in die Schweiz kamen, ertappte ich meine Augen bei einer merkwürdigen Aktivität: Auf der Zugfahrt nach Luzern suchten sie die Landschaft draussen automatisch nach den Spuren eines Hochwassers ab. Ich musste mich wieder daran gewöhnen, einfach ins Land zu blicken und zu sehen: Es ist alles heil und ganz. Gott sei Dank.

Und so weiter.

Aber draussen reifen die Brombeeren an den Büschen - ein untrügliches Zeichen, dass der Sommer bald vorbei ist. Zeit für einen Themenwechsel.

Deshalb adieu, sächsische Schweiz! Möge die Wetterfahne auf dem Mönchstein dem Wind zuflüstern, dass er uns ein andermal wieder herbringen soll!

14
Aug
2013

Am Königsweg gescheitert

Die sächsische Schweiz kennt jede Menge Flurnamen, die uns Schweizer exotisch anmuteten: Das Wort "Kirnitzschtal" etwa ist für uns ein köstlicher Zungenbrecher. Dann gibts den Kuhstall, der kein Holzbau, sondern ein Felsentor ist. Es gibt die Affensteine und den Weiberfährenweg, der zu keiner Fähre führt. Es gibt den Diebshöhlenbach, den Zahnsgrund und den Klüftelweg. Und für erschöpfte Wanderer die Gaststätten "Stiller Fritz" oder "Erbgericht".

Die Berge erinnern mit ihren Namen häufig daran, dass Deutschland früher eine Gesellschaft mit einer vielstufigen Rangordnung gehabt hat: Der Pfaffenstein ist der bescheidenste unter den felsigen Häuptern der sächsischen Schweiz. Edler ist der Lilienstein, wie geschaffen als Namensgeber für eine noblen Familie. Und natürlich den Königstein.

Es gibt auch den Königsweg. Warum er allerdings so heisst, wird mir wohl für den Rest meines Lebens ein Rätsel bleiben. Er führt mitten durch den Nationalpark südöstlich von Bad Schandau. Aber ich fand ihn überhaupt nicht königlich.

"Königsweg" nennt man ja auch den besten Weg zu einem schwer erreichbaren Ziel. Klar, dass wir ihn für unseren Abstieg von den Winterbergen wählten. Es war unsere letzten Wanderung. Wir hatten auf dem Grossen Winterstein noch einmal die wahrhaft majestätische Aussicht auf das Elbtal genossen.


(Im Hintergrund noch einmal der Lilienstein)

Die ganze Gegend dort oben ist umwerfend. So umwerfend, dass Menière-Patientin Frogg ausgerechnet dort oben einen leichten Schwindelanfall bekam. Zunächst hielt ich ja noch tapfer die Ohren steif. Bis ich feststellte, dass der Königsweg nicht nur zwischen Felsen verlief - sondern einer rund 200 Meter hohen Felswand entlang. Ohne Geländer.

Ich muss gestehen: Ich zwang Herrn T. zur Umkehr.

Ich scheiterte übrigens nicht nur am Königsweg - sondern auch an der Himmelsleiter, einem charmanten Aufstieg beim Kuhstall:



"Ich will noch nicht in den Himmel", sagte ich entschieden zu Herrn T. und kehrte um.

Dennoch fand ich beide Erlebnisse sehr bedenklich. Ich hätte sie weniger bedenklich gefunden, wenn die Wege nicht "Himmelsleiter" oder "Königsweg" geheissen hätte.

10
Aug
2013

Das Schloss im Osten

In Ostdeutschland hauen einem die Touristiker ja nicht gleich die unappetitlichen Details aus der Zeit der sowjetischen Herrschaft um die Ohren. In Tschechien ist das anders - oder wenigstens im Schloss Děčín .



Das noble Haus ist das touristische Bijou der Stadt. Man kann es mit Audioguides besichtigen - und die sagen es Deutsch und deutlich: Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Schloss ein Stützpunkt für sowjetische Soldaten. Und die sollen sich barbarisch benommen haben. Die edel gearbeiteten Holztüren etwa hätten sie gerne als Zielscheiben beim Messerwerfen benutzt - und zum Zigarettenausdrücken. Aber die Tschechen haben das Schloss seither schön herausgeputzt.



Es gehörte einst den Herren von Thun aus Österreich, über die im Schloss niemand etwas Schlechtes sagt. Auf den westlichen Betrachter wirkt der mächtige Bau ohnehin nicht westlich - sondern ausgesprochen slawisch. Es beginnt schon bei der Auffahrt.



Noch bei keinem westeuropäischen Schloss habe ich eine Zufahrt ohne Aussicht auf die Umgebung gesehen. "Was soll denn das?!" fragte sich Frau Frogg. Die Auffahrt ist tatsächlich etwas Besonderes. Sie hat sogar einen Namen: Sie heisst "die lange Fahrt" - oder "dlouha jizda". Erst später habe ich gelesen: Die Architekten wandten einen Trick an, um sie länger scheinen zu lassen als sie wirklich war. Die Bögen auf der Seite werden immer niedriger. Man sieht es auf dem Bild zuoberst.

Architektonisch ist die "Lange Fahrt" also mit der potemkinschen Treppe in Odessa verwandt.


(Quelle: Wikimedia)

Die Treppe ist unten viel breiter als oben. So lässt sie die Stadt oben viel mächtiger aussehen als sie wirklich ist. Im Schloss Děčín dagegen diente der Trick zur Vergrösserung des Ruhms derer von Thun.

Vor der Führung besichtigten wir auch die Waffen- und die Gemäldesammlung des Hauses. Dabei folgt uns eine Aufseherin auf Schritt und Tritt. Sie achtete freundlich, aber sehr bestimmt darauf, dass wir die Filzpantoffeln anbehielten, die den Holzboden schützen sollen. Wir waren dort die einzigen Besucher - und die Szene entbehrte nicht einer gewissen Beklemmung und Komik. Ich muss gestehen: Ich fühlte mich wie Roman Polanski im Schloss des Grafen Dracula in Tanz der Vampire.

Dafür war ich restlos hingerissen vom Rosengarten.

logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

Juni 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7571 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 14. Apr, 12:45

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren