11
Dez
2011

1001 Songs

Popmusik-Nerds machen gerne Listen, die niemanden ausser Pop-Nerds interessieren. Das weiss Frau Frogg seit diesem Buch aus dem Jahre 1995.



Deshalb liess ich dieses Buch links liegen, als ich es das erstemal sah:

Aber als ich 1001 Songs, die sie hören sollten, bevor das Leben vorbei ist*, neulich in der Leihbibliothek herumliegen sah, konnte ich dann doch nicht widerstehen.

Ich ging nach Hause, schlug es auf und entdeckte: Das Buch ist keine Song-Schatzkiste - nein, es ist ein ganzer Dachboden, ach was, ein ganzes Hochhaus voller Song-Schatzkisten. Es beginnt mit Enrico Carusos O sole mio (1926) und endet mit Stylo von den Gorillaz (2010). Jeder Beitrag erklärt die Geschichte eines Songs und schafft Querbezüge zu Cover-Versionen. Ich fing brav bei Caruso an, war begeistert über die tollen Bilder im Buch und geriet sofort ins Musikfieber.

"Kaufen, erbetteln, stehlen Sie sich die in diesem Buch vorgestellt 1001 Songs", schreibt Tony Visconti im Vowort des Buches - und natürlich klaute ich die Songs ohne jegliches Unrechtsbewusststein auf youtube. Denn das Internet verhundertfacht ja den Genuss, den einem eine solche Anthologie bereitet. Man kann Biografien nachlesen, noch mehr Songs von einer Band hören und und und...

Ich weiss nicht, ob ich für den Rest meines Lebens etwas anderes tun werde als in diesem Buch zu blättern.

Solltet Ihr auf meinen nächsten Beitrag warten müssen, schenke ich Euch zum Zeitvertrieb ein kubanisches Juwel aus dem Jahre 1929. Diese Stimme ist ein Aphrodisiakum!



*Edition Olms, Zürich, 2011

10
Dez
2011

Paranoia bei der Autobahnraststätte

Wie ich auf meiner grossen Wanderung von Luzern nach Norden erst einmal Rothenburg erreichte, habe ich hier erzählt. Von hier hielt ich weiter Richtung Norden. Bald stiess ich auf die letzten Vorposten von Suburbanien.

eigental_sempach 021

Nach dieser Wandmalerei an einem Gewerbe-Gebäude waren ringsum nur noch Weiden und Wäldchen zu sehen. Aber die Ländlichkeit täuscht. Durch diese Gegend führt seit dem 13. Jahrhundert die Route von Hamburg nach Palermo. Ich wusste, dass die Falten dieser Landschaft eine mächtige Autobahn verbergen, eine Bahnlinie und eine Anlage mit nicht weniger als 26 riesigen Gastanks und einem Dutzend kleinen. Und die Autobahnraststätte Neuenkirch.

Ich habe mich immer gefragt, wie es wohl ist, sich dieser Anlage zu Fuss anzunähern. So folgte ich dem Strässchen zur Anlage auf Schusters Rappen und ich weiss jetzt: Es fühlt sich verboten an. Das ganze Gelände ist dick mit Maschendraht eingefasst. Zugang gibts nur über eine Autospur. Ich wollte durch den Maschenzaun wenigstens ein Bild vom Motel machen. Aber der Anblick war zu unfotogen. Ich ging schnell weiter.

Doch noch 100 Meter weiter, am nächsten Waldrand, schien ich mich im trostlosen Niemandsland der Autobahnraststätte zu befinden. Als ich dort ein parkiertes Auto sah, dachte die Landstreicherin: "Wer geht denn an so einem gottvergessenen Ort im Wald spazieren? Ein Kinderschänder? Ein Serienmörder?"

Nochmals 200 Meter weiter, wieder zwischen Kuhweiden, bekam ich sogar einen Anfall von Paranoia. Ein feldgrüner Helikopter blieb genau über meinem Kopf blieb er sicher einer Minute in der Luft stehen. Hatte ich mit meiner Fotografiererei hinter dem Motel an der Autobahn gar den Staatsschutz aufgeschreckt? Bin ich jetzt terrorverdächtig? Bestimmt hat man mich inzwischen identifiziert und sogar meinen Blog gefunden. Ich erkläre hier deshalb noch einmal ausdrücklich: Ich bin eine harmlose Spaziergängerin. Ich tue keiner Fliege etwas zuleide. Das Bild von der Raststätte war fundemental hässlich und nutzlos. Ich habe es nie verwendet und längst gelöscht.

Der Helikopter machte schliesslich eine Schleife im Feld nebenan. Dann verschwand er in die Richtung, aus der er gekommen war. Ich ging mit klopfendem Herzen weiter und erreichte kurz vor 15 Uhr Sempach Station. Bis ins Städtchen Sempach geht man von hier noch 20 oder 30 Minuten zu Fuss. Aber dort gibt es kaum öffentlichen Verkehr.

Ich verschob eine Tour im Städtchen aufs nächste Mal und stieg zufrieden in die S-Bahn nach Luzern. Ich stellte fest: Im Mittelalter dauerten selbst Tagesmärsche länger als heute.

7
Dez
2011

Nach Norden

Schon lange träume ich von einem grossen Marsch nach Norden. Nach Basel. Oder vielleicht sogar bis nach Hamburg oder Rotterdam. Es wird wohl ein Traum bleiben. Aber am Samstag setzte ich wenigstens zur ersten Etappe an. Sie sollte mich von Luzern bis nach Sempach führen.

Sempach war im Mittelalter die Luzern am nächsten liegende Marktstadt. Und in der Schule habe ich gelernt: Marktstädte lagen damals einen Tagesmarsch voneinander entfernt. So brauchten Bauern bis zum nächsten Markt höchstens einen halben Tag.

Ich brach erst um 10.30 Uhr auf. Der heutige Mensch muss ausschlafen und die Zeitung lesen, bevor er sich auf einen Tagesmarsch begibt. Vielleicht würde ich es doch nicht ganz bis nach Sempach schaffen. Doch ich hielt strikt nach Norden, wo immer es ging.

Zuerst war die Reise alles andere als mittelalterlich. Nein. Ich kam mitten ins Herz von Subarbanien: nach Emmenbrücke.

eigental_sempach 007

Aber das fand ich ganz in Ordnung. Ich war Landstreicherin. Ich suchte nicht die Vergangenheit. Ich suchte den Alltag. Und nirgends ist der Alltag so ungeschönt wie in Emmenbrücke. Als ich die Strasse auf dem Bild überquert hatte, sah ich einen richtigen Penner. Ich fürchtete mich ein bisschen vor ihm. Ich habe mich immer vor alkoholisierten Männern mit zerrissenen Kleidern gefürchtet. Mir wurde klar, dass man die Landstreicherei nicht romantisieren darf.

Als ich die Autobahn überquerte, sang ich laut den Refrain Scarborough Fair gegen den Lärm an:

"Are you goin' to Scarborough Fair? Parsley, sage, rosemary, and thyme.
Remember me to one who lives there, she once was a true love of mine."

Der Song soll aus dem tiefen Mittelalter stammen, steht hier. Und ein bisschen Mittelalter konnte ich jetzt schon gebrauchen. Dass man Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian anno dazumal als Duftgemisch gegen die Pest gebrauchte, las ich allerdings erst später.

Kurz nach 12 Uhr erreichte ich Rothenburg. Der Vorort hat einen mittelalterlichen Kern von geradezu deutscher Behaglichkeit.

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Ich speiste im Restaurant Bären, wo sich altertümliche Gemütlichkeit auch in der Gaststube erhalten hat. Und man isst dort ausgezeichnet. Ich muss sagen: Landstreicherei ist eigentlich nur angenehm, wenn man sich dabei ein warmes Mittagessen, ein Käfeli und ein angemessenes Trinkgeld leisten kann. Jedenfalls in der kalten Jahreszeit.

Als ich wieder nach draussen kam, war es mindestens zehn Grad kälter als vor dem Mittag. Der Blick nach Süden zeigte: Es hatte zum ersten Mal weit heruntergeschneit. Der Winter hielt gerade Einzug. Ich drehte mich um und hielt weiter gen Norden.

5
Dez
2011

Nikolaus existiert!

Mein Gottenbub Tim ist sechs und geht in die erste Klasse. Dort diskutieren die Kleinen dieser Tage aufgeregt über Sankt Nikolaus - oder Samichlaus, wie er bei uns heisst. Die einen Kinder behaupten, er existiere gar nicht. Das sei nur irgendein Nachbar, der sich einen Bart anklebe und den Kindern etwas vorspiele.

Aber Tim vertritt eine dezidiert andere Auffassung. "Ich habe den Samichlaus gesehen und ihn mir genau angeschaut!", sagt er, "Besonders den Bart. Wenn dieser Bart aus Watte gewesen wäre, dann hätte ich auch gesagt, er sei angeklebt. Aber das war ein richtiger Bart mit Haaren. Also ist das auch ein richtiger Samichlaus."

4
Dez
2011

Ich bin gerne Landstreicherin

"Ich habe ein paar Regeln aufgestellt für den Fall, dass ich je Kinder haben sollte", lässt eine Kollegin verlauten, "Zum Beispiel habe ich mir geschworen: Ich werde mich nie so weit gehen lassen, dass ich aussehe wie eine Landstreicherin."

Ich habe dazu nicht viel zu sagen. Ich habe keine Kinder und würde mir nie ein Urteil darüber bilden, wie Frauen mit Kindern auszusehen haben. Aber das Wort "Landstreicherin" dreht Runden in meinem Kopf. Erst später wird mir klar: Ich bin schon viel zu lange nicht mehr über Land gestrichen! Wenn meine Bekannte wüsste, welch ungeheure Freiheit es mir gibt, in einem paar alten Jeans und ausgelatschten Schuhen einfach loszumarschieren! Eine Art Minimalsmus des Reisens mit maximaler Lüftungswirkung für den Kopf.

Natürlich könnte ich auch in diesen neuen, speziell für Wanderer angefertigten Designer-Klamotten aus dem Sportgeschäft aufbrechen. Ich würde dann auch auf der Landstrasse Status zur Schau stellen. Aber das finde ich unnötig. Die meisten Begegnungen, die ich da draussen habe, sind auch so freundlich und respektvoll.

Und: Als Frau allein da draussen bin ich sowieso privilegiert. Wer Familienpflichten hat, schuften oder ein Haus sauber halten muss, kommt meist gar nicht auf solche Ideen.

In den achtziger Jahren wurde die Vagabundin auch mit sexueller Freiheit assoziiert. Zum Beispiel hier:



Aber darum geht es mir nicht. Im Gegenteil: In abgelegenen Gegenden fühle ich mich manchmal sicherer, wenn ich gar nicht auffalle.

So packte ich gestern endlich meine alte Skijacke und meine Winterlatschen und zog los - strikt gegen Norden. Schon nach den ersten Metern stellte sich mir eine Bauabschrankung in den Weg. Sie stand da ohne ersichtlichen Grund. Kein Problem: Landstreicherinnen müssen ihre Kleider nicht schonen und kriechen souverän zwischen solchen Abschrankungen durch.

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Was ich dann erlebte, erzähle ich später.
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