Lexikon der Räusche
Mit meinem Syrien-Epos geht es hier so bald wie möglich weiter. Zuerst aber ein Abstecher in die neonwilderness, zum zwölften Wort der famosen Reihe *txt: "Rausch".
Der französische Poet Charles Baudelaire - was den Rausch betrifft, so hatte er den Durchblick (Quelle: veryimportantpotheads.com)
Enivrez-vous, befahl uns einst Charles Baudelaire - "berauscht Euch!" Baudelaire hat begriffen: Wenn wir nicht gerade gerade ums nackte Überleben kämpfen, brauchen wir den Rausch. Sonst lastet uns das Leben mit tödlicher Schwere auf den Schultern. Wir brauchen den Adrenalin-Kick, die Ekstase, den geistigen Höhenflug. Den Kater nehmen wir dafür in Kauf. Wenn die Sucht droht - naja, Schicksal. So könnte jeder von uns ein kleines Lexikon der Räusche schreiben. Baudelaire nennt den Wein, die Dichtung und die Tugend. Hier ist meins:
Alkohol-Rausch: Mit Nostalgie erinnere ich mich an die Wodka-Räuschchen, die ich ein paarmal in Russland hatte. Wodka macht in moderaten Mengen fröhlich und geistreich. Doch auch ein hübscher Weinrausch hat hat seine Qualität. Er lässt uns die ungeheure Tiefe von Dingen erkennen, die wir nüchtern gänzlich banal finden würden - und uns darüber in metaphysisches Gelächter ausbrechen.
Cannabis-Rausch: Nie mein Favorit - hier mehr dazu.
Kaffee-Rausch: Kaffee ist eine unterschätzte Droge. Wer es nicht glaubt, mache einen Entzug. Der erste Espresso nach zwei Tagen Kopfweh und Weltuntergang: Welch ein Genuss! Im Nu vertreibt er jede Granteligkeit und weckt in uns liebevolle Neugier auf die Welt.
Liebesrausch: Wir behaupten, die Liebe sei ein altruistisches Gefühl. Doch wenn wir uns verlieben, dann lieben wir oft unser schmerzhaft süsses Begehren mehr als sein Objekt. Verliebtheit macht schnell süchtig. Der kalte Entzug heisst Liebeskummer - die nachhaltigere Methode: Paarbeziehung, Zweierkiste oder Hochzeit. Da kommt dann im besten Fall die wahre Liebe.
Musik-Rausch: Dem lieben Gott kann auf Erden nur nahe sein, wer Musik hört. Deshalb sind 1000 Arten des Musik-Rausches bekannt. Zum Beispiel die Massen-Ekstase am Rock-Konzert; die Trance, wenn die eigene Stimme im Chor aufgeht; das einsame Hochgefühl auf YouTube.
Natur-Rausch: Wenn ich den Wald hochgekeucht bin, die Flecken der Herbstsonne auf dem dürren Laub gesehen habe und zuoberst über das Land blicke, dann fühle ich mich erhaben. Am nächsten Tag tun mir die Füsse weh - aber das ist kein Kater, denn ich habe Sport getrieben
Nikotin-Rausch: Diese Schwindel erregende Leichtigkeit im Kopf, dieser kurze Glücksmoment - dann der Kater: Kratzen im Hals und Schweratmigkeit.
Politischer Rausch: Man zelebriert das Wir-Gefühl, man erhitzt sich an Parolen. Man lässt sich von bodenständigen Rednern in Begeisterung versetzen. Man frönt süssen Glauben, dass Phrasen wahr werden, wenn möglichst viele sie wiederholen. Wir hatten geglaubt, nur die Musik (siehe Musik-Rausch) könne heute noch solche Massen-Räusche auslösen. Aber die Politik erlebt gerade ein Comeback als Rauschmittel. Nicht bei mir - Politik ist das einzige, was ich nüchtern und sachlich mag.
Schaffensrausch: Schriftsteller kennen sie - die heilige Ekstase beim Übertritt ins Reich der Fiktion. Journalisten kennen ihn - den wach haltenden Kick einer guten Story, einer Hammer-Nachricht. Aber, Warnung: Braucht Kraft und kann auf die Dauer gesundheitsschädigend sein.
Sport-Rausch: Siehe Natur-Rausch.
Der französische Poet Charles Baudelaire - was den Rausch betrifft, so hatte er den Durchblick (Quelle: veryimportantpotheads.com)
Enivrez-vous, befahl uns einst Charles Baudelaire - "berauscht Euch!" Baudelaire hat begriffen: Wenn wir nicht gerade gerade ums nackte Überleben kämpfen, brauchen wir den Rausch. Sonst lastet uns das Leben mit tödlicher Schwere auf den Schultern. Wir brauchen den Adrenalin-Kick, die Ekstase, den geistigen Höhenflug. Den Kater nehmen wir dafür in Kauf. Wenn die Sucht droht - naja, Schicksal. So könnte jeder von uns ein kleines Lexikon der Räusche schreiben. Baudelaire nennt den Wein, die Dichtung und die Tugend. Hier ist meins:
Alkohol-Rausch: Mit Nostalgie erinnere ich mich an die Wodka-Räuschchen, die ich ein paarmal in Russland hatte. Wodka macht in moderaten Mengen fröhlich und geistreich. Doch auch ein hübscher Weinrausch hat hat seine Qualität. Er lässt uns die ungeheure Tiefe von Dingen erkennen, die wir nüchtern gänzlich banal finden würden - und uns darüber in metaphysisches Gelächter ausbrechen.
Cannabis-Rausch: Nie mein Favorit - hier mehr dazu.
Kaffee-Rausch: Kaffee ist eine unterschätzte Droge. Wer es nicht glaubt, mache einen Entzug. Der erste Espresso nach zwei Tagen Kopfweh und Weltuntergang: Welch ein Genuss! Im Nu vertreibt er jede Granteligkeit und weckt in uns liebevolle Neugier auf die Welt.
Liebesrausch: Wir behaupten, die Liebe sei ein altruistisches Gefühl. Doch wenn wir uns verlieben, dann lieben wir oft unser schmerzhaft süsses Begehren mehr als sein Objekt. Verliebtheit macht schnell süchtig. Der kalte Entzug heisst Liebeskummer - die nachhaltigere Methode: Paarbeziehung, Zweierkiste oder Hochzeit. Da kommt dann im besten Fall die wahre Liebe.
Musik-Rausch: Dem lieben Gott kann auf Erden nur nahe sein, wer Musik hört. Deshalb sind 1000 Arten des Musik-Rausches bekannt. Zum Beispiel die Massen-Ekstase am Rock-Konzert; die Trance, wenn die eigene Stimme im Chor aufgeht; das einsame Hochgefühl auf YouTube.
Natur-Rausch: Wenn ich den Wald hochgekeucht bin, die Flecken der Herbstsonne auf dem dürren Laub gesehen habe und zuoberst über das Land blicke, dann fühle ich mich erhaben. Am nächsten Tag tun mir die Füsse weh - aber das ist kein Kater, denn ich habe Sport getrieben
Nikotin-Rausch: Diese Schwindel erregende Leichtigkeit im Kopf, dieser kurze Glücksmoment - dann der Kater: Kratzen im Hals und Schweratmigkeit.
Politischer Rausch: Man zelebriert das Wir-Gefühl, man erhitzt sich an Parolen. Man lässt sich von bodenständigen Rednern in Begeisterung versetzen. Man frönt süssen Glauben, dass Phrasen wahr werden, wenn möglichst viele sie wiederholen. Wir hatten geglaubt, nur die Musik (siehe Musik-Rausch) könne heute noch solche Massen-Räusche auslösen. Aber die Politik erlebt gerade ein Comeback als Rauschmittel. Nicht bei mir - Politik ist das einzige, was ich nüchtern und sachlich mag.
Schaffensrausch: Schriftsteller kennen sie - die heilige Ekstase beim Übertritt ins Reich der Fiktion. Journalisten kennen ihn - den wach haltenden Kick einer guten Story, einer Hammer-Nachricht. Aber, Warnung: Braucht Kraft und kann auf die Dauer gesundheitsschädigend sein.
Sport-Rausch: Siehe Natur-Rausch.
diefrogg - 13. Sep, 12:33
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