Der Mann im weissen Hemd
Was bisher geschah: Katharina ist ihrem bedrückenden Arbeitsalltag als Kindermädchen für ein paar Stunden entkommen: Sie vergnügt sich im Luzerner Tanzlokal Alpengarten. Da betritt ein junger Mann den Saal.
"Er war braun gebrannt, mit dunklen Haaren - und er trug ein weisses Hemd", erinnert sich Katharina. Sie habe immer gesagt: "Wenn ich einmal heirate, dann einen Mann mit brauner Haut, einem weissen Hemd und einer Krawatte." Der hier trug ein weisses Hemd - aber keine Krawatte. "Dafür sah ich, wie sich in seinem Hemdausschnitt ein paar dunkle Haare kräuselten."
Die beiden warfen einander verstohlene Blicke zu. Aber vorerst geschah nichts. Dabei hätten sie nicht einmal aufzustehen brauchen, um ein paar Worte zu wechseln. Es gab im Alpengarten Tischtelefone. Das war in den fünfziger Jahren der letzte Schrei.
Ja, der Alpengarten!
(Quelle: www.luzernerzeitung.ch)
Noch meine Eltern konnten sich vorstellen, dass dort auch ein Mann für mein Leben antanzen würde. Im Cha-cha-cha vielleicht. Mir schmeckte nur schon die Idee wie drei Tage abgestandener Minzentee. Und nicht nur mir. Das Haus atmete spätestens in den Achtzigern den falschen Zeitgeist. In den neunzigern riss man es ab und stellte ein Wohnhaus an seine Stelle. Ich fragte mich flüchtig, ob die Mieter manchmal von den jungen Leuten träumen, die dort einmal die Nächte durchtanzt haben.
Es waren solche Momente, die mich an Katharinas Geschichte so fesselten – sie beschwor Bilder von den alten Mauern meiner Stadt. Sie füllte sie mit den Geistern der Menschen, die zwischen ihnen gelebt haben. Sie gab ihnen die Sepiafarbe der Erinnerung und brachte sie zum Sprechen. Und doch verstand ich die Leidenschaften nicht, von denen sie sich hatten treiben liessen. Sie blieben Gespenster.
Ausser dem jungen Mann im Alpengarten, anno 1958. Er war kein Gespenst. Er strahlte geradezu, filmreif. Doch er rührte sich immer noch nicht. Schliesslich war Damenwahl. "Da haben ich ihn zum Tanzen aufgefordert", sagte Katharina. "Und von da an tanzten wir jeden Tanz zusammen." Karl und Katharina. "Es war Liebe auf den ersten Blick", sagte sie. "Es war, als würden wir einander schon unser ganzes Leben lang kennen."
Doch wie sollte sie ihn nach diesem Abend wieder treffen? Katharina arbeitete sieben Tage die Woche. Ausgehen durfte sie nicht.
"Er war braun gebrannt, mit dunklen Haaren - und er trug ein weisses Hemd", erinnert sich Katharina. Sie habe immer gesagt: "Wenn ich einmal heirate, dann einen Mann mit brauner Haut, einem weissen Hemd und einer Krawatte." Der hier trug ein weisses Hemd - aber keine Krawatte. "Dafür sah ich, wie sich in seinem Hemdausschnitt ein paar dunkle Haare kräuselten."
Die beiden warfen einander verstohlene Blicke zu. Aber vorerst geschah nichts. Dabei hätten sie nicht einmal aufzustehen brauchen, um ein paar Worte zu wechseln. Es gab im Alpengarten Tischtelefone. Das war in den fünfziger Jahren der letzte Schrei.
Ja, der Alpengarten!
(Quelle: www.luzernerzeitung.ch)
Noch meine Eltern konnten sich vorstellen, dass dort auch ein Mann für mein Leben antanzen würde. Im Cha-cha-cha vielleicht. Mir schmeckte nur schon die Idee wie drei Tage abgestandener Minzentee. Und nicht nur mir. Das Haus atmete spätestens in den Achtzigern den falschen Zeitgeist. In den neunzigern riss man es ab und stellte ein Wohnhaus an seine Stelle. Ich fragte mich flüchtig, ob die Mieter manchmal von den jungen Leuten träumen, die dort einmal die Nächte durchtanzt haben.
Es waren solche Momente, die mich an Katharinas Geschichte so fesselten – sie beschwor Bilder von den alten Mauern meiner Stadt. Sie füllte sie mit den Geistern der Menschen, die zwischen ihnen gelebt haben. Sie gab ihnen die Sepiafarbe der Erinnerung und brachte sie zum Sprechen. Und doch verstand ich die Leidenschaften nicht, von denen sie sich hatten treiben liessen. Sie blieben Gespenster.
Ausser dem jungen Mann im Alpengarten, anno 1958. Er war kein Gespenst. Er strahlte geradezu, filmreif. Doch er rührte sich immer noch nicht. Schliesslich war Damenwahl. "Da haben ich ihn zum Tanzen aufgefordert", sagte Katharina. "Und von da an tanzten wir jeden Tanz zusammen." Karl und Katharina. "Es war Liebe auf den ersten Blick", sagte sie. "Es war, als würden wir einander schon unser ganzes Leben lang kennen."
Doch wie sollte sie ihn nach diesem Abend wieder treffen? Katharina arbeitete sieben Tage die Woche. Ausgehen durfte sie nicht.
diefrogg - 31. Mai, 15:24
7 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks