Die Mauer
Hadrian's Wall bei Steel Cragg, im Vordergrund die Ruinen des Milecastle 39
Mauern, die ganze Völker trennen, haben seit jeher etwas Anrüchiges. Daran musste ich eines Morgens Ende Juli denken, als ich in einer lieblichen Ferienwohnung wenige hundert Meter vom Hadrianswall entfernt aufwachte.
Abend für Abend erreichten uns die schlechten Nachrichten aus aller Welt über BBC - aus Gaza, aus der Ukraine. Und aus Italien, wo die Küstenwache täglich einige hundert Flüchtlinge aus Afrika aus dem Meer fischt.
Die Hadriansmauer ist fast 2000 Jahre alt, erbaut vom gleichnamigen Römerkaiser. Sie markierte 300 Jahre lang die äusserste nordwestliche Grenze des römischen Reiches. Heute ist sie ein eindrucksvolles Bauwerk in einer betörend schönen Landschaft.
Der Wall war eine Befestigung, die römisches Hab und Gut und römische Bürger vor Überfällen der so genannten Barbaren aus dem Norden schützte. Autoren, die über die Mauer schreiben, betonen immer wieder, sie sei mit der Berliner Mauer überhaupt nicht zu vergleichen. Schliesslich habe es am Hadrian's Wall exakt nach jeder Meile ein Tor gegeben mit einem Turm, ein so genanntes Milecastle, 79 Milecastles an der ganzen Mauer. Man könne also davon ausgehen, dass ein lebhaftes Kommen und Gehen zwischen römisch Britannien und dem Skotenland im Norden geherrscht habe.
Keiner der Autoren aber vergleicht den Hadrian's Wall mit dem Mittelmeer, jenem gewaltigen Wassergraben, der das heutige Europa und Afrika trennt (und verbindet). Aber ich versuchte es. Ich konnte mir gut vorstellen, dass der Wall damals, genau wie das Mittelmeer heute, eine Grenze zwischen Arm und Reich, zwischen "entwickelt" und "unterentwickelt" darstellte.
Gab es im römischen Britannien ein Asylwesen? Keine Ahnung.
Dagegen weiss ich ungefähr, wie die römische Besatzungszeit in Britannien endete: Noch 398/99 führten römische Truppen an Wall einen Ausfall gegen die Pikten und Skoten im Norden durch. Doch wenig später griff das Chaos um sich - die Völkerwanderung setzte ein, es gab Bürgerkriege, Rom zog nach und nach seine Truppen aus Britannien ab. Sie wurden anderswo dringender gebraucht.
Manchmal frage ich mich, ob die Geschichte Europas gerade an unserer Süd- und Ostgrenze neu geschrieben wird. Und zwar auf eine Art und Weise, wie es sich weder rechte noch linke Kleingeister im Moment vorstellen können.
diefrogg - 15. Aug, 18:22
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