13
Aug
2014

Küsse, Kotze, Bridget Jones

Auch wenn der Titel hier vielleicht etwas anderes nahelegt: Ich finde, die Bridget Jones-Romane sind im deutschen Sprachraum unterbewertet. Sie gelten als billige Romanzen. Im englischen Sprachraum ist das anders. Dort anerkennt man, dass die ersten beiden Bücher in den neunziger Jahren das Leben der arbeitende Frau über 30 auf die literarische Landkarte gebracht haben - und das mit einer beträchtlichen sprachlichen Originalität (die wohl in den Übersetzungen nicht so herüberkam).

Der dritte Band erschien in England im letzten Herbst - und wieder nimmt sich Autorin Helen Fielding Pionierarbeit vor. Denn mittlerweile ist Bridget 51 - und Frauen in diesem Alter sind ja als Romanheldinnen nicht gerade dick gesät. Und: Bridget ist wieder single.



Fielding hat Bridget's Ehemann und Helden, Mark Darcy, in einen frühen Tod geschickt. Da hat sie einen klugen Entscheid getroffen, finde ich. Erstens habe ich ihn (ja, ich gestehe es) nie besonders gemocht. Zweitens ist für Frauen ab 50 das Dasein ohne Mann ein grosses Thema. Es ist doch so: "Tagtäglich lässt sich beobachten, wie sehr das weibliche Grauen vor dem Älterwerden am Faktor Mann hängt. Das grosse Thema dahinter: Alleinsein. Frauen tun viel, um nicht in diese Lage zu geraten. ... Sie versuchen heftig, einen Mann zu halten"* So schreibt die deutsche Autorin Bascha Mika in einer glasklaren Analyse über das Älterwerden von Frauen, die erst kürzlich erschienen ist.

Da erstaunt nicht, dass auch Bridget wieder einen Mann will. Sie ist mittlerweile Mutter zweier Kinder, hat aber keine der Sorgen, die Frauen in diesem Alter sonst so haben: Sie ist finanziell bestens versorgt, hat keine gesundheitlichen Probleme, keine pflegebedürftigen Verwandten. Sie beginnt eine heisse Affäre mit einem 29-Jährigen namens Roxster. Das liest sich vergnüglich und ging mir zuweilen auch sehr zu Herzen.

Nur teilt Bridget mit Roxster eine irritierende Obsession für dumme Sprüche über Fürze und Kotze. Ich fand das völlig unnötig, bis ich plötzlich begriff: In diesen Witzchen wird abgehandelt, was der Roman zwar thematisieren will, aber dann doch auf Peinlichste verdrängt: die Angst vor dem Ekel, die ein Mann vor einer Frau in diesem Alter empfinden könnte. Manche Frauen leisten aus Furcht vor diesem Ekel ungeheuer harte Arbeit, um an sich die Spuren des Alterns unsichtbar zu machen.

Ok, auch Bridget leistet harte Arbeit an sich. Sie ist ständig auf Diät. Aber das war sie ja früher schon. Sie entfernt sich die Haare an den Beinen, sie färbt sich die Haare auf dem Kopf... aber das machen Frauen ja auch mit 20. Ok, sie greift auch mal zu Botox. Aber bitte: Wo ist die Müdigkeit, die einen um die 50 schneller einholt? Wo sind die Krampfadern? Die Wallungen?

Sie sind tabu.

Deshalb finde ich: Diesmal hat Fielding es versiebt.

"Hey, über Krampfadern und Wallungen will kein Mensch etwas lesen!" höre ich Euch jetzt ausrufen.

Eben. Genau das ist das Problem. Wenn Fielding diesmal Pionierarbeit geleistet hätte, hätte sie Wallungen und Krampfadern auf die literarische Landkarte gebracht. Und zwar so, dass wir Bridget auch mit ihnen noch lieben können.


Bascha Mika: "Mutprobe - Frauen und das höllische Spiel mit dem Älterwerden", München, C. Bertelsmann Verlag, 2014, Seite 162.
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