17
Mrz
2013

Die Liebe zu den Grossvätern

Am 10. Mai 1945 war der Krieg auch für Fred Feuerstein vorbei. Seine Truppe in der Festung Lorient kapitulierte. Aus mündlicher Überlieferung wissen wir, dass er vorübergehend in Kriegsgefangenschaft geriet.

Sonst wissen wir nichts. Erst im Jahr 1953 schreibt er wieder an Erna, weil er geschäftlich unterwegs ist. Er ist dabei, einen Absatzmarkt für Velveta-Käse in Mannheim aufzubauen:



Er findet Mannheim russig, die Mannheimer proletarisch und seinen Job ungeheuer hektisch. Er schreibt fast nur noch über finanzielle Engpässe. Dabei geht es insgesamt aufwärts mit Feuersteins. Sie haben ein neues Haus, und Fred fährt jetzt auch Auto. Für alte Geschichten hat er keine Zeit mehr. Nur an einer Stelle outet er sich als einer jener Kleinbürger, die bei Ausbruch leichter öffentlicher Unordnung noch bis ans Ende ihres Lebens gerne lästern: "Im Dritten Reich hätte es das nicht gegeben!"

Es steht also fest: Fred Feuerstein mutierte in der Wehrmacht nicht zum heimlichen Regimekritiker als den ihn die Familien-Überlieferung gerne sieht.

Soll man ihn deswegen weniger gut mögen? Ich weiss es nicht. Es gibt Dinge, die mir an diesen Briefen Eindruck gemacht haben: Wie er hier seine Frau angesichts der Bedrohung vom Atlantik her um Verzeihung dafür bittet, dass er sie in dieses Schlamassel gebracht hat. Sehr berührend.

Und überhaupt können wir ja gar nicht aufhören, unsere Grossväter zu lieben. Vielleicht reicht es, wenn wir sehen, dass sie auch Fehler gemacht haben. Und daraus zu folgern, dass wir auch Fehler machen können.

Mich hat Fred gelehrt, genauer hinzuschauen. Wieder öfter Wort zu erheben, wenn ich sehe, dass meine Umgebung aus Betriebsblindheit oder offener Feindseligkeit andere gering schätzt. Aber ich bin nicht sicher, ob das reicht.
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