Prominenter Behinderter
Kaspar Hauser ist der prominenteste Behinderte der europäischen Geistesgeschichte. 1828 taucht er in Nürnberg auf. Niemand kennt den Jugendlichen, der sich kaum bewegen und kaum sprechen kann. Heute gilt als sicher: Er ist so geworden, weil man ihn als Kind schwer vernachlässigt hat. Die Psychologie benennt denn auch eine schwere Form des Hospitalismus nach ihm. Doch nicht deshalb hat er Generationen fasziniert. Sondern, weil seine Herkunft und sein Tod immer rätselhaft geblieben sind. Und vor allem: Weil Dokumente zeigen, dass er nach einiger Förderung beträchtliche Unangepasstheit im Denken und grosses lyrisches Talent entwickelte. Seine Geschichte wirft Fragen auf: Was macht einen Menschen aus? Was bedeutet Zivilsation? Welche Rolle sollen Menschen haben, die nicht hineinpassen?
Das Schauspielhaus Zürich führt zurzeit seine Geschichte auf. Hauser ist darin für seine Umwelt in mehreren Hinsichten eine Nummer zu gross. Damit man das auch sieht, bedient das Theater sich eines genialen Regie-Einfalls: Die Finder und Weggefährten von Kaspar werden von Kindern gespielt - die wiederum von schwarz verhüllten Gestalten wie Puppen geführt werden. Das sieht so aus.
(Unter dem Tisch Jirka Zetts als Kaspar Hauser).
Klingt kompliziert und sieht auf dem Bild auch so aus. Auf der Bühne aber wirkt es absolut stimmig. Man kann stundenlang zusehen.
Die Geschichte spielt sich dazu noch in einer Biedermeier-Stube ab, die von der Grösse her zu den Kindern passt. Kaspar muss lernen, sich zu verbiegen. Sonst kommt er gar nicht erst zur Tür herein. Nie habe ich die Beschränktheit eines durchaus intellektuellen Milieus vielschichtiger vorgespielt bekommen. Denn man sollte die Macht dieser Figürchen nicht unterschätzen. Hinter jedem steht ja eine dunkle Gestalt, die ihn führt. Der Schatten der Zivilisation? Das Über-Ich? Wer weiss.
In dieser Welt wird Kaspar zum Versuchskaninchen und zum Spektakel. Man verhätschelt ihn, dressiert ihn und erschrickt über die Wucht seiner Aussagen. Er lernt viel - auch, sich zu ängstigen. Und ganz nebenbei spielt sich an ihm ein Wohlfahrtsdrama ab. Erst macht Hauser Schlagzeilen, und der Bürgermeister spricht ihm begeistert eine Rente. Als das Interesse an Hauser nachlässt, will er sie wieder streichen. Hauser soll nun plötzlich für seinen Lebensunterhalt aufkommen - obwohl ihn darauf niemand vorbereitet hat. Keine Verlässlichkeit in der Sozialpolitik, schon damals nicht.
Klar, dass Kaspar an all dem zerbricht. Wie das passiert, zeigt das Stück zu wenig folgerichtig - eine Schwäche der episodenhaften Inszenierung. Dennoch: Wer über die Rolle von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft einmal jenseits vom finanzpolitischen Dauergetöse nachdenken möchte, sollte sie sich unbedingt ansehen.
Das Schauspielhaus Zürich führt zurzeit seine Geschichte auf. Hauser ist darin für seine Umwelt in mehreren Hinsichten eine Nummer zu gross. Damit man das auch sieht, bedient das Theater sich eines genialen Regie-Einfalls: Die Finder und Weggefährten von Kaspar werden von Kindern gespielt - die wiederum von schwarz verhüllten Gestalten wie Puppen geführt werden. Das sieht so aus.
(Unter dem Tisch Jirka Zetts als Kaspar Hauser).
Klingt kompliziert und sieht auf dem Bild auch so aus. Auf der Bühne aber wirkt es absolut stimmig. Man kann stundenlang zusehen.
Die Geschichte spielt sich dazu noch in einer Biedermeier-Stube ab, die von der Grösse her zu den Kindern passt. Kaspar muss lernen, sich zu verbiegen. Sonst kommt er gar nicht erst zur Tür herein. Nie habe ich die Beschränktheit eines durchaus intellektuellen Milieus vielschichtiger vorgespielt bekommen. Denn man sollte die Macht dieser Figürchen nicht unterschätzen. Hinter jedem steht ja eine dunkle Gestalt, die ihn führt. Der Schatten der Zivilisation? Das Über-Ich? Wer weiss.
In dieser Welt wird Kaspar zum Versuchskaninchen und zum Spektakel. Man verhätschelt ihn, dressiert ihn und erschrickt über die Wucht seiner Aussagen. Er lernt viel - auch, sich zu ängstigen. Und ganz nebenbei spielt sich an ihm ein Wohlfahrtsdrama ab. Erst macht Hauser Schlagzeilen, und der Bürgermeister spricht ihm begeistert eine Rente. Als das Interesse an Hauser nachlässt, will er sie wieder streichen. Hauser soll nun plötzlich für seinen Lebensunterhalt aufkommen - obwohl ihn darauf niemand vorbereitet hat. Keine Verlässlichkeit in der Sozialpolitik, schon damals nicht.
Klar, dass Kaspar an all dem zerbricht. Wie das passiert, zeigt das Stück zu wenig folgerichtig - eine Schwäche der episodenhaften Inszenierung. Dennoch: Wer über die Rolle von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft einmal jenseits vom finanzpolitischen Dauergetöse nachdenken möchte, sollte sie sich unbedingt ansehen.
diefrogg - 13. Mär, 10:52
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