Bordelle und eheliches Vertrauen
Ich näherte mich Fred Feuersteins Briefen aus dem Zweiten Weltkrieg mit grossem Respekt. Er hatte sie ja nicht für die neugierige Nachwelt verfasst. Sondern für seine Frau - und auch für seine 1944 zehnjährige Tochter.
Vor allzu intimen Geständnissen würde dies wohl ihn und mich schützen, dachte ich. Zusammen mit dem Umstand, dass damals Zensurstellen über die Äusserungen der deutschen Soldaten wachten. Fred wusste das sicher. Mich machte es misstrauisch. "Wie aussagekräftig sind solche Dokumente überhaupt?" fragte ich mich. Und auf Nazi-Gerede wollte ich mich sowieso nicht einlassen.
Schliesslich war die Neugier stärker. Ich griff nach dem obersten Brief im Stoss. Schnell stellte ich fest: Fred konnte schreiben. Schon im ersten Brief vom 19. März 1944 wartete er mit happigem Stoff auf. Er berichtet: "Gestern habe ich Rennes einen Kameraden der Schreibstube im Krankenlazarett besucht. Er ist in der Abteilung Geschlechtskrankheiten. Du, da stehen einem die Haare fast zu Berge, wie da junge Männer, Burschen fast, auf allen Vieren daherkriechen vor Schmerzen. Selten einer kann aufrecht gehen. Einfach schauderhaft, ekelhaft und belehrend. Das sind meistens Leute, die sich mit einer wilden Dirne einliessen und infiziert wurden. In allen Städten hat es doch die kontrollierten Häuser für die Säue. Mich ekelt heute solches Leben geradezu an." Dann versichert er seine Frau kurz seiner Treue. Das eheliche Vertrauen scheint intakt gewesen zu sein.
Eine kurze Recherche im Internet zum Thema ist nichts für sensible Gemüter: Gegen eine Million deutsche Soldaten zogen sich im Zweiten Weltkrieg Geschlechtskrankheiten. Sie verbreiteten sie weiter unter den bedauernswerten Frauen, die sich in den besetzten Gebieten prostituierten. Die Alliierten hatten dagegen Penicillin - für die Soldaten. Die Deutschen offenbar nicht. Hier ein Link. Und der Begriff "wilde Dirnen" stammt durchaus aus dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch - er bezeichnete Frauen, die nicht in den von Nazis ärztlich versorgten Bordellen anschafften.
Genug davon.
Als Kontrastprogramm hier noch ein Link: Der Tagesanzeiger berichtet über 22 ostschweizer Schulmädchen, die dem Bundesrat 1942 einen Protestbrief schrieben. Sie kritisierten, dass die Schweiz damals Juden an der Grenze zurückwies - hat uns heute ein Enkel von Fred Feuerstein gemailt. Das waren Mädchen mit Zivilcourage!
Vor allzu intimen Geständnissen würde dies wohl ihn und mich schützen, dachte ich. Zusammen mit dem Umstand, dass damals Zensurstellen über die Äusserungen der deutschen Soldaten wachten. Fred wusste das sicher. Mich machte es misstrauisch. "Wie aussagekräftig sind solche Dokumente überhaupt?" fragte ich mich. Und auf Nazi-Gerede wollte ich mich sowieso nicht einlassen.
Schliesslich war die Neugier stärker. Ich griff nach dem obersten Brief im Stoss. Schnell stellte ich fest: Fred konnte schreiben. Schon im ersten Brief vom 19. März 1944 wartete er mit happigem Stoff auf. Er berichtet: "Gestern habe ich Rennes einen Kameraden der Schreibstube im Krankenlazarett besucht. Er ist in der Abteilung Geschlechtskrankheiten. Du, da stehen einem die Haare fast zu Berge, wie da junge Männer, Burschen fast, auf allen Vieren daherkriechen vor Schmerzen. Selten einer kann aufrecht gehen. Einfach schauderhaft, ekelhaft und belehrend. Das sind meistens Leute, die sich mit einer wilden Dirne einliessen und infiziert wurden. In allen Städten hat es doch die kontrollierten Häuser für die Säue. Mich ekelt heute solches Leben geradezu an." Dann versichert er seine Frau kurz seiner Treue. Das eheliche Vertrauen scheint intakt gewesen zu sein.
Eine kurze Recherche im Internet zum Thema ist nichts für sensible Gemüter: Gegen eine Million deutsche Soldaten zogen sich im Zweiten Weltkrieg Geschlechtskrankheiten. Sie verbreiteten sie weiter unter den bedauernswerten Frauen, die sich in den besetzten Gebieten prostituierten. Die Alliierten hatten dagegen Penicillin - für die Soldaten. Die Deutschen offenbar nicht. Hier ein Link. Und der Begriff "wilde Dirnen" stammt durchaus aus dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch - er bezeichnete Frauen, die nicht in den von Nazis ärztlich versorgten Bordellen anschafften.
Genug davon.
Als Kontrastprogramm hier noch ein Link: Der Tagesanzeiger berichtet über 22 ostschweizer Schulmädchen, die dem Bundesrat 1942 einen Protestbrief schrieben. Sie kritisierten, dass die Schweiz damals Juden an der Grenze zurückwies - hat uns heute ein Enkel von Fred Feuerstein gemailt. Das waren Mädchen mit Zivilcourage!
diefrogg - 6. Feb, 10:46
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