Straflager für Asylbewerber
Die Schweizer Rechtsnationalen (SVP) fordern neuerdings Internierungslager für straffällige Asylbewerber. Dazu möchte möchte ich hier nur festhalten: Ein solches Lager hatten wir schon mal, während des Zweiten Weltkriegs - das Straflager Wauwilermoos im Kanton Luzern. Es hat es eine unrühmliche Geschichte. Unter den Insassen hiess es "das schweizerische Konzentrationslager".
Wer sich dafür interessiert, sollte sich diesen Radio-Beitrag anhören. Hier die wesentlichen Punkte, angereichert mit Ergebnissen meiner eigenen Recherchen:
- Die Internierten waren straffällig gewordene oder alkoholkranke Polen, Russen und Franzosen, ferner Amerikaner und Deserteure aus den deutschen Streitkräften. Warum man Alkoholiker in ein Straflager steckte, ist heute unverständlich. Ebenfalls schwer nachvollziehbar ist, warum man deutsche Deserteure strafte. Die Deutschen waren doch die Bedrohung für die Schweiz. Man hätte jeden Deserteur belohnen müssen! Und die Amerikaner wurden eingesperrt, wenn sie versuchten, sich über die Schweizer Grenze zu den alliierten Truppen abzusetzen. Also dann, wenn sie dem Befehl ihrer Offiziere folgten - um der Schweiz die Deutschen vom Hals zu halten. Aber eben - wir hatten rundum Krieg, die Schweiz war ein neutrales Land. Und sie hatte Angst vor den Deutschen. Das muss wohl als Erklärung reichen.
- Das Lager bestand aus 22 Holzbaracken. Die Schlafsäle waren ungeheizt. Die Internierten schliefen auf schmutzigem Stroh unter einer dünnen Wolldecke. Es gab massenhaft Ungeziefer. Durch die Mitte des Raumes lief ein stets schmutziger Latrinengraben. Der Gestank im Lager soll höllisch gewesen sein.
- Das Lager und einzelne Baracken waren mit Stacheldraht umzäunt. Wächter patrouillierten mit Furcht einflössenden Hunden.
- Zu Essen gab es viel zu wenig. Die Häftlinge wurden "ernährt wie Schweine aus dem Trog", schreibt der ehemalige Insasse Charles Bergmann. Die Rede ist von wässrigem Kakao und dünner Suppe, selten mit kleinen Fleischstücken angereichert.
- Die Internierten sollten bei den Bauern der Gegend auf den Feldern arbeiten. Doch wie ich aus mündlicher Quelle erfahren habe, mieden die Landwirte das Lager: Man hatte von den Zuständen dort gehört, und der Lagerleiter soll gern über frisch bestellte Felder ausgeritten sein - das machte ihn unbeliebt. So hatten die Gefangenen meist keine Arbeit und vertrieben sich die Zeit mit Herumhängen, Schlägereien und Besäufnissen - Alkohol war im Schwarzhandel mit korrupten Wärtern leicht erhältlich.
- Diese Zustände forderten Opfer: Ein Häftling verlor bei einer Rauferei sein Leben. Ein Wärter erschoss ihn. Der Vorfall ist im Bundesarchiv Bern gut dokumentiert. Ein anderer Insasse, der amerikanischer Fliegeroffizier Daniel Culler, wurde Nacht für Nacht von seinen Mithäftlingen vergewaltigt, geschlagen und in den Latrinengraben geworfen. Wenn er sich bei der Lagerleitung beklagte, wurde er in Isolationshaft gesteckt. Culler erkrankte schwer, verliess das Lager bewusstlos und kam erst im Spital in Luzern wieder zu sich. 1995 entschuldigte sich der damalige Bundespräsident Kaspar Villiger bei ihm.
- Der Lagerleiter, André Béguin, war inkompetent, ein Sadist, ein Hochstapler und ehemaliges Mitglied einer nationalsozialistischen Partei. Er wurde - erst - 1946 wegen verschiedenster Vergehen wie Betrug, Veruntreuung, Fälschung dienstlicher Akten oder Nichtbefolgens von Dienstvorschriften zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt.
- Heute will sich kein Mensch mehr an das Lager erinnern. 2007 stellte ich als Journalistin Nachforschungen darüber an. Es gab nicht einmal jemanden, der mir Auskunft über die genaue Lage des Lagers machen konnte. Im Bundesarchiv sind jedoch die Zustände dort recht gut dokumentiert.
Wollen wir so etwas nochmals? Lieber nicht.
Wer sich dafür interessiert, sollte sich diesen Radio-Beitrag anhören. Hier die wesentlichen Punkte, angereichert mit Ergebnissen meiner eigenen Recherchen:
- Die Internierten waren straffällig gewordene oder alkoholkranke Polen, Russen und Franzosen, ferner Amerikaner und Deserteure aus den deutschen Streitkräften. Warum man Alkoholiker in ein Straflager steckte, ist heute unverständlich. Ebenfalls schwer nachvollziehbar ist, warum man deutsche Deserteure strafte. Die Deutschen waren doch die Bedrohung für die Schweiz. Man hätte jeden Deserteur belohnen müssen! Und die Amerikaner wurden eingesperrt, wenn sie versuchten, sich über die Schweizer Grenze zu den alliierten Truppen abzusetzen. Also dann, wenn sie dem Befehl ihrer Offiziere folgten - um der Schweiz die Deutschen vom Hals zu halten. Aber eben - wir hatten rundum Krieg, die Schweiz war ein neutrales Land. Und sie hatte Angst vor den Deutschen. Das muss wohl als Erklärung reichen.
- Das Lager bestand aus 22 Holzbaracken. Die Schlafsäle waren ungeheizt. Die Internierten schliefen auf schmutzigem Stroh unter einer dünnen Wolldecke. Es gab massenhaft Ungeziefer. Durch die Mitte des Raumes lief ein stets schmutziger Latrinengraben. Der Gestank im Lager soll höllisch gewesen sein.
- Das Lager und einzelne Baracken waren mit Stacheldraht umzäunt. Wächter patrouillierten mit Furcht einflössenden Hunden.
- Zu Essen gab es viel zu wenig. Die Häftlinge wurden "ernährt wie Schweine aus dem Trog", schreibt der ehemalige Insasse Charles Bergmann. Die Rede ist von wässrigem Kakao und dünner Suppe, selten mit kleinen Fleischstücken angereichert.
- Die Internierten sollten bei den Bauern der Gegend auf den Feldern arbeiten. Doch wie ich aus mündlicher Quelle erfahren habe, mieden die Landwirte das Lager: Man hatte von den Zuständen dort gehört, und der Lagerleiter soll gern über frisch bestellte Felder ausgeritten sein - das machte ihn unbeliebt. So hatten die Gefangenen meist keine Arbeit und vertrieben sich die Zeit mit Herumhängen, Schlägereien und Besäufnissen - Alkohol war im Schwarzhandel mit korrupten Wärtern leicht erhältlich.
- Diese Zustände forderten Opfer: Ein Häftling verlor bei einer Rauferei sein Leben. Ein Wärter erschoss ihn. Der Vorfall ist im Bundesarchiv Bern gut dokumentiert. Ein anderer Insasse, der amerikanischer Fliegeroffizier Daniel Culler, wurde Nacht für Nacht von seinen Mithäftlingen vergewaltigt, geschlagen und in den Latrinengraben geworfen. Wenn er sich bei der Lagerleitung beklagte, wurde er in Isolationshaft gesteckt. Culler erkrankte schwer, verliess das Lager bewusstlos und kam erst im Spital in Luzern wieder zu sich. 1995 entschuldigte sich der damalige Bundespräsident Kaspar Villiger bei ihm.
- Der Lagerleiter, André Béguin, war inkompetent, ein Sadist, ein Hochstapler und ehemaliges Mitglied einer nationalsozialistischen Partei. Er wurde - erst - 1946 wegen verschiedenster Vergehen wie Betrug, Veruntreuung, Fälschung dienstlicher Akten oder Nichtbefolgens von Dienstvorschriften zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt.
- Heute will sich kein Mensch mehr an das Lager erinnern. 2007 stellte ich als Journalistin Nachforschungen darüber an. Es gab nicht einmal jemanden, der mir Auskunft über die genaue Lage des Lagers machen konnte. Im Bundesarchiv sind jedoch die Zustände dort recht gut dokumentiert.
Wollen wir so etwas nochmals? Lieber nicht.
diefrogg - 6. Jun, 10:37
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