Das Kind und die Kläranlage
Eigentlich sollte dieser Eintrag so heissen: "Das Kind und die Kläranlage oder weshalb ich spaziere". Aber das hatte keinen Platz und sowieso: Weshalb sollte jemand einen Eintrag über das Spazieren lesen? Schon kleine Kinder wissen: Spazieren ist langweilig. Doch Frau Frogg findet neuerdings: Ist es nicht. Ich habe neulich für einen Spaziergang sogar eine Theatervorstellung geschwänzt. Da musste ich nach dem Sinn dieser Herumstreunerei zu fragen beginnen.
Noch dringender wurde die Frage, als ich dieser Tage meinen Gottenbuben Tim (5) in Luzern Nordwest unerhört im Kakao herumführte. Eigentlich wollte ich ihm das Stahlwerk auf der Emmenweid zeigen. Das sollte ein Kind sehen! Es ist eine gewaltige Fabrik - und man weiss nie, wie lange sie noch steht.
Mit etwas Glück kann man durch das offene Tor der Giesserei sehen, wie glutoranges Metall aus dem Hochofen kommt. Aber Tim und ich kamen nicht bis zum Hochofen. Es begann vorher zu regnen, und wir hatten keinen Regenschutz. Wir kamen nur bis zur Kläranlage ein paarhundert Meter davor. Natürlich erklärte ich dem Kind, was das da für übel riechende Wässerchen waren. Er war auch anständig beeindruckt. Aber ich fragte mich wieder einmal: Muss ein Kind solches Zeug ausgerechnet von seiner Gotte lernen?
Als uns der Regen zur Umkehr zwang, blieb uns die Wahl. Multiplex-Kino oder eine Fahrt im nächstbesten Bus. Tim ist für Autos, Züge, Busse jederzeit zu begeistern. Klar, was er wählte. Der nächstbeste Bus führte uns ausgerechnet nach Littau. Littau ist nicht der ansehnlichste Teil der Stadt Luzern. Wahrscheinlich waren wir die ersten Touristen, die je dorthin gefahren sind. Aber Tim klebte am Busfenster und war begeistert, sah alles und las jedes Ladenschild. An Abend erzählte er offenbar auch seiner Mama noch von Littau. Und von den zwei Tunnels auf der Rückfahrt mit dem Zug. Was diese eher amüsiert zur Kenntnis nahm. Wer verirrt sich schon nach Littau?
Da beschloss ich, hier eine Apologie des ziellosen Spaziergangs zu verfassen - damit ich nicht in den Verdacht gerate, dem Kind sinnloses Zeug beizubringen. Die Apologie ist kurz und bündig: Die Flaneure haben den Spaziergang einst zur Kultur erhoben. Flaneure liessen sich von ihren Beobachtungen begeistern, zum Schreiben anregen. Sie zelebrierten so die Stadt, die Moderne. Ziellosigkeit, sich treiben lassen, gehörte zum Konzept. Die Flaneure hätten sicher nichts dagegen gehabt, dass man Vororts-Verkehrsmittel in den Spaziergang einbezieht. Und dass man den unerforschten Siedlungsbrei der Vororte für seine Ausflüge wählt, wenn man keine Grossstadt zur Verfügung hat. Und heute beim Spazieren fiel mir ein geistiger Grossvater meiner Spaziergänge ein, auf den ich besonders stolz bin: Robert Walser. Seine Spaziergang-Schilderungen sind verspielte Auseinandersetzungen mit der Welt - zum Beispiel mit sozialen Unterschieden und wie sie markiert werden.
Und inzwischen bin ich zur Überzeugung gelangt: Kinder sind die besten Flaneure. Sie haben noch keine festgefahrenen Sehgewohnheiten.
Noch dringender wurde die Frage, als ich dieser Tage meinen Gottenbuben Tim (5) in Luzern Nordwest unerhört im Kakao herumführte. Eigentlich wollte ich ihm das Stahlwerk auf der Emmenweid zeigen. Das sollte ein Kind sehen! Es ist eine gewaltige Fabrik - und man weiss nie, wie lange sie noch steht.
Mit etwas Glück kann man durch das offene Tor der Giesserei sehen, wie glutoranges Metall aus dem Hochofen kommt. Aber Tim und ich kamen nicht bis zum Hochofen. Es begann vorher zu regnen, und wir hatten keinen Regenschutz. Wir kamen nur bis zur Kläranlage ein paarhundert Meter davor. Natürlich erklärte ich dem Kind, was das da für übel riechende Wässerchen waren. Er war auch anständig beeindruckt. Aber ich fragte mich wieder einmal: Muss ein Kind solches Zeug ausgerechnet von seiner Gotte lernen?
Als uns der Regen zur Umkehr zwang, blieb uns die Wahl. Multiplex-Kino oder eine Fahrt im nächstbesten Bus. Tim ist für Autos, Züge, Busse jederzeit zu begeistern. Klar, was er wählte. Der nächstbeste Bus führte uns ausgerechnet nach Littau. Littau ist nicht der ansehnlichste Teil der Stadt Luzern. Wahrscheinlich waren wir die ersten Touristen, die je dorthin gefahren sind. Aber Tim klebte am Busfenster und war begeistert, sah alles und las jedes Ladenschild. An Abend erzählte er offenbar auch seiner Mama noch von Littau. Und von den zwei Tunnels auf der Rückfahrt mit dem Zug. Was diese eher amüsiert zur Kenntnis nahm. Wer verirrt sich schon nach Littau?
Da beschloss ich, hier eine Apologie des ziellosen Spaziergangs zu verfassen - damit ich nicht in den Verdacht gerate, dem Kind sinnloses Zeug beizubringen. Die Apologie ist kurz und bündig: Die Flaneure haben den Spaziergang einst zur Kultur erhoben. Flaneure liessen sich von ihren Beobachtungen begeistern, zum Schreiben anregen. Sie zelebrierten so die Stadt, die Moderne. Ziellosigkeit, sich treiben lassen, gehörte zum Konzept. Die Flaneure hätten sicher nichts dagegen gehabt, dass man Vororts-Verkehrsmittel in den Spaziergang einbezieht. Und dass man den unerforschten Siedlungsbrei der Vororte für seine Ausflüge wählt, wenn man keine Grossstadt zur Verfügung hat. Und heute beim Spazieren fiel mir ein geistiger Grossvater meiner Spaziergänge ein, auf den ich besonders stolz bin: Robert Walser. Seine Spaziergang-Schilderungen sind verspielte Auseinandersetzungen mit der Welt - zum Beispiel mit sozialen Unterschieden und wie sie markiert werden.
Und inzwischen bin ich zur Überzeugung gelangt: Kinder sind die besten Flaneure. Sie haben noch keine festgefahrenen Sehgewohnheiten.
diefrogg - 13. Nov, 15:56
22 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks