16
Okt
2009

Cortison, Sex, Rock'n'Roll

Wer krank ist, darf Dinge, die ein Gesunder nicht darf. Zum Beispiel tröstliche, aber etwas unbedarfte Bücher lesen. Solche, die ein gebildeter Mensch im Vollbesitz seiner Kräfte vielleicht nicht lesen würde. Trivialliteratur.

Wahrscheinlich darf man auch etwas befremdliche Musik hören, wenn man gerade krank geschrieben und mit Drogen wie Cortison vollgepumpt ist. Musik hören tue ich auf jeden Fall. Denn Kühlschränke und Abwaschmaschinen, so schön sie sind, reichen der Frogg im Moment nicht mehr. Nein. Zur Zeit denkt sie: Vielleicht wird meine Zeit zum Musikhören knapp. Also muss ich mir einen Vorrat anlegen. Unvergessliche Songs. Songs fürs Leben. Ich suche sie auf dem Internet und will sie eigentlich auf meinen neuen MP3-Player herunterladen.

Aber ich lasse mich ablenken und lande immer wieder auf irgendwelchen YouTube-Videos. Zum Beispiel auf diesem hier.



Ich habe es mir sicher schon dreimal angesehen - nebst einer Reihe anderer Videos von Zeppelin. Wie besessen. Ich verstehe mich selbst nicht mehr. Denn natürlich, in den achtziger Jahren liebte die Frogg Heavy Metal. Natürlich schüttelte sie damals im Fliegerschuppen im Vorort ihre schwarzbraun flackernde Mähne zu "Whole Lotta Love". Aber ein Song fürs Leben war das damals nicht, und heute bin ich für sowas eigentlich zu reif.

Warum also? Ja, klar. Das Ding ist schierer Sex, gut inszenierter Sex. So entdecke ich hier, was ich als Teenager verpasste, weil unsereiner ja die Sexgötter von anno dazumal noch nicht auf YouTube sehen konnte - sondern nur ausnahmsweise (falls es sie noch gab) in einem biederen Fernsehstudio. Ausserdem ist das Video ein ziemlich guter Mitschnitt von einem ziemlich guten Gig, das werden Kenner bestätigen.

Aber da ist noch etwas anderes, und schliesslich verstand ich es: Der Song ist basslastig. Und genau von den Bässen brauche ich einen Vorrat. Ich könnte die ganze Nacht lang Bässe hören. Sie streicheln mein Ohr. Sie geben mir Herzklopfen. (Damit Ihr Euch keine Sorgen macht: Natürlich höre ich das Zeug mit stark heruntergedrehtem Ton!)

Und noch etwas: Wenn dieses ekstatische Krächzen von Robert Plant den Raum zerschneidet, dann erinnere ich mich plötzlich, dass in meinem verängstigten Körper einmal eine verrückte, wütende, hungrige Seele steckte. Es muss doch möglich sein, sie wieder ins Leben zurückzulocken!
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