20
Sep
2008

Phantastischer Roman

Die Frogg verschlingt gerade den besten Roman, der ihr dieses Jahr zwischen die Finger gekommen ist Arthur & George von Julian Barnes. Deshalb mein langes Schweigen hier, für das ich um Verständnis bitte. Glücklicherweise ist der Schinken 505 Seiten fett, so dass ich auch morgen noch einen Rest habe, den ich mir einverleiben kann.

Wenn ich sage, "Arthur & George" sei ein phantastischer Roman, so will ich damit lediglich meine Begeisterung für das Buch zum Ausdruck bringen. Ich will nicht etwa glauben machen, es kämen darin weisse Einhörner, Hexen mit eisigen Herzen oder boshafte Zwerge vor. Nein. Das Buch erzählt von zwei Personen, die tatsächlich existiert haben: von George Edalji und Arthur Conan Doyle.

Barnes erfindet die Geschichte der beiden von Kindsbeinen an neu. Er bleibt dabei nahe bei der Realität und schreibt doch Fiktion im besten Sinne. Er lässt die Leser in die Haut der beiden schlüpfen. Bis sie selber für ein paar Stunden in Arthur Conan Doyle's kompliziertem Ehedreieck stecken - oder mit George Edalji im Gefängnis hocken. Edalji, der indischer Herkunft ist, wird nämlich angeklagt, Pferde verstümmelt zu haben - ein Justizirrtum aus Rassismus. Mit wie viel selbstauferlegter Gleichmut Edalji sein Schicksal meistert, zeigt Barnes mitfühlend und analytisch zugleich. Wie bigott, selbstgerecht und doch auch hübsch ländlich die Gesellschaft in seinem Great Wyreley ist, schildert er meisterhaft und mit einer Prise subtiler Ironie.

Es dauert etwa 300 Seiten, bis sich die beiden Helden des Buches zum ersten Mal begegnen und die Charakterstudie, das Sittengemälde, zum Krimi wird. Und doch möchte man keine Seite bis zu dieser Stelle missen. Zu dem Treffen kommt es schliesslich, als George sich mit einem Bittbrief an den Erfinder von Sherlock Holmes wendet. Doyle, soeben Witwer geworden und auf der verzweifelten Suche nach einem Fluchtweg aus seiner inneren Leere, kommt der Bitte nach. Er beginnt einen erbitterten Kampf gegen die Englische Gerichtbarkeit.

Den führt er in meiner Lektüre immer noch. Deshalb, sorry, Freunde: Ich muss weiter lesen.
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