Journal einer Kussbereiten : Rubrik:luzern, luzern
http://froggblog.twoday.net/
diefrogg
diefrogg
2017-10-07T15:30:23Z
en
hourly
1
2000-01-01T00:00:00Z
Journal einer Kussbereiten
https://static.twoday.net/froggblog/images/icon.jpg
http://froggblog.twoday.net/
-
Das neue Café
http://froggblog.twoday.net/stories/1022594787/
Sonntagnachmittag. Der <a href="https://www.skiai.ch/">pedestrian</a> und ich haben wieder einmal die gigantischen Baustellen am <a href="https://luzern-nord.lu.ch/index/seetalplatz">Seetalplatz</a> besichtigt. Jetzt stehen wir beim Bahnhof <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Emmen_LU">Emmenbrücke</a> und hoffen, in der Nähe einen guten Kaffee zu bekommen. Allzu zuversichtlich sind wir nicht. Cafés sind lange Zeit nicht so die Stärke von downtown Emmenbrücke gewesen. Es gibt in der Gegend bloss eine hohe Dichte von Kebab-Lokalen und ein paar Büezer-Beizen. Und eine Tierfutterfabrik.<br />
<br />
Aber jetzt hat sich etwas getan: Gleich vis à vis vom Bahnhof leuchten die Neonfarben eines Cafés. Sieht aus wie ein Kaffeehaus für ältere Damen, mit Nussgipfeln auf den Tischen und so. "Caffe Mlinar" heisst es - ein merkwürdiger Name, denke ich. Aber interessant.<br />
<br />
<img src="http://www.zentralplus.ch/images/cache/750x420/crop/images%7Ccms-image-007552766.jpg" alt="" width="90%" /><br />
(Quelle: zentralplus.ch)<br />
<br />
Wenig später sitzten wir im rappelvollen Lokal. Es ist tatsächlich ein Kaffeehaus. Aber ohne Nussgipfel - in den Körbchen liegen Böreks und andere Produkte aus Filo-Teig. Hier sitzen Alt und Jung, die Stimmung ist fröhlich. Ich finde es so spannend, dass ich für eine halbe Stunde glatt an meinen Ohren zu leiden vergesse. Und der Kaffee ist intensiv, ganz wie er mir mundet.<br />
<br />
Emmenbrücke beginnt sich zu verändern. Es ist immer noch ein Moloch aus Fabriken, Verkehr und billigen Wohnungen. Hier leben immer noch die Büezer und die Migranten, aus Sri Lanka und Bosnien, aus Kosovo, Kroatien und der Türkei, aus Äthiopien und Eritrea. Nur auf den Hügeln drängen sich Einfamilienhäuschen, die den hiesigen Lehrern und ein paar Bauunternehmern gehören. Im neuen Café scheinen alle einen Treffpunkt gefunden zu haben. Und wenige Schritte weiter entsteht ein neues Stadtquartier.<br />
<br />
Zu Hause google ich ein bisschen und stelle fest: Das Caffe Mlinar hiesse zu Deutsch Café Müller und gehört zu einer kroatischen Kaffeehauskette. Und es hat eine aussergewöhnliche <a href="http://www.zentralplus.ch/de/news/aktuell/5510399/FCL-Verteidiger-er%C3%B6ffnet-Restaurant-in-Emmenbr%C3%BCcke.htm">Geschichte</a>, bei der ein lokaler Spitzenfussballer eine wichtige Rolle spielt.
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2016 diefrogg
2016-11-06T10:36:00Z
-
Bergsteigen verboten
http://froggblog.twoday.net/stories/1022547100/
<img src="http://www.kulturkonzept.ch/daniela/pilatusneu.JPG" alt="" width="98%" /><br />
<i>Der Pilatus bei Luzern. Heute ist er eine gut besuchte Tourismus-Destination. Aber das war nicht immer so.</i><br />
<br />
637861 Besucher beförderten die Pilatusbahnen 2014. Wie viele dieser Fahrgäste ganz auf den Berg hinauf fuhren, weiss ich nicht. Aber ich weiss: An einem sonnigen Tag herrscht dort oben ziemlich Betrieb. Asiatische Touristen, einheimische Wanderfreunde, der obligate Alphornbläser, Familienausflügler - und die meisten ersteigen auch die höchste Stelle des Berges - den Esel (2182 müM).<br />
<br />
Heute nennen ihn manche Luzerner bieder unseren Hausberg. Aber unsere Vorfahren mochten ihn nicht. Im Mittelalter verbot der Stadtrat sogar, ihn zu besteigen. Und das wurde auch geahndet: Als 1387 <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pilatussee">sechs Geistliche</a> hinaufkraxelten, warf man sie danach ins Gefängnis.<br />
<br />
Warum? Nun, im Mittelalter war diese Beschäftigung ohnehin suspekt, sogar subversiv. Als der Dichter Petrarca anno 1336 auf den Mont Ventoux stieg, war das ein Wendepunkt in der Kulturgeschichte. Petrarca ging da hinauf, um selber zu sehen. Er machte eine Entdeckungsreise. So etwas wurde damals von der Obrigkeit nicht ermutigt. Wer würde noch glauben, was irgendein Pfaffe sagte, wenn er jederzeit selber hingehen und sich ein Bild machen konnte? <br />
<br />
Beim Pilatus begründete man das Verbot mit einer gruseligen Geschichte. Es hiess, dort oben liege die Leiche von Pontius Pilatus - jenes römischen Statthalters also, der Jesus einst ans Kreuz geliefert hatte. Den Magistraten hatte danach Gewissenspein geplagt, und er fand auch im Tod keine Ruhe. Er wurde ein bösartiges Gespenst. Wo man ihn auch begrub, er brachte Pest und Cholera und Unwetter. Also suchte man für ihn ein abgelegenes Plätzchen - fand den fraktus mons und warf die Leiche des Pontius dort in einen kleinen See. Doch auch hier soll er keine Ruhe gegeben haben. Wenn naseweise Leute auf den Berg stiegen und Steine in den Tümpel warfen, geriet seine arme Seele wieder in Aufruhr - er schickte Blitz und Donner und liess die Bäche über die Ufer treten.<br />
<br />
Alte Sage oder Erfindung der Luzerner Obrigkeit? Möglicherweise letzteres. Erst gegen 1600 glaubte auch der Luzerner Stadtrat nicht mehr an den Hokuspokus mit dem Pilatusseeli. Die Ironie daran ist: Heute locken die Pilatusbahnen ausgerechnet mit dieser Story (<a href="http://www.pilatus.ch/de/der-berg/sagen-mythen/pilatussage/">hier</a> Reisende aus aller Welt auf den Berg. <br />
<br />
<i>Das ist mein Beitrag zu</i> <a href="neonwilderness.net/2016/02/03/">Dominik Leitners</a> <i>wunderbarem Projekt *txt</i>. Das <a href="http://neonwilderness.net/2016/02/03/das-zweite-wort-2016-txt/">zweite Wort</a> <i>in diesem Jahr lautete "Berg"</i>.
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2016 diefrogg
2016-02-17T08:20:00Z
-
Eine glückliche Ehe
http://froggblog.twoday.net/stories/1022461799/
<i>Auf vielfachen Wunsch liefere ich hier noch den Schluss der Liebesgeschichte von Karl und Katharina nach. Ich bin ja nach der</i> <a href="http://froggblog.twoday.net/stories/1022445318/">letzten Folge</a> <i>nicht nur ohne Abmeldung in die Ferien verreist. Ich war auch noch überzeugt, die Geschichte fertig erzählt zu haben. Aber einige meiner Leserinnen kennen mich besser als ich selber - denn dieser Text schwirrt mir schon seit Beginn der Serie im Kopf herum:</i><br />
<br />
1958 heirateten Karl und Katharina. Die Ehe sei sehr, sehr glücklich gewesen, sagt sie. "Er hat mich auf Händen getragen, immer!" Dann erzählt sie, wie er, der Frühaufsteher, ihr jeden Morgen eine Tasse Kaffee ans Bett gebracht habe. Sie klingt dabei ein bisschen wie meine verstorbene Grossmutter Walholz. Auch deren Mann, <a href="http://froggblog.twoday.net/stories/1022417358/">Eugen</a>, war der liebste und der beste aller Ehemänner gewesen. Jedenfalls in ihrer Erinnerung. Ich bin bei solchen Schilderungen immer etwas misstrauisch. Ich meine: Es muss doch auch in den Ehen unserer Grossmütter öde Strecken gegeben haben, Szenen, Zweifel, Verzweiflung, verbotene Sehnsüchte. Verdankt sich das Eheglück unserer Grossmütter einer gnädigen Erinnerung, die manches aufhellt und retouchiert? Oder dem Wunsch der Erzählerin, der jüngeren Zuhörerin von einem gelungenen Leben zu berichten? <br />
<br />
Oder waren unsere Grossmütter einfach glücksfähiger als unsere Mütter ("seit er pensioniert ist, ist er immer zu Hause. Manchmal halte ich es fast nicht aus")? Oder meine jüngeren Freundinnen ("Er ist der Mann meines Lebens!" seufzen sie mit rot geweinten und blau geränderten Augen über den unsteten Gesellen, der sich nach letzter Nacht noch auf der Bettkante dann doch wieder für die Ehefrau entschieden hat)?<br />
<br />
Wie dem auch sei: Die Ehe von Karl und Katharina überdauerte bis ins neue Jahrtausend. Die beiden hatten zwei Töchter. Sie lebten ihr ganzes Leben lang in ihrer kleinen Wohnung in Luzern und gerieten auch mal mit der barschen Vermieterin aneinander - im Rückblick heitere Episödeli. Karl wurde Lastwagenfahrer und nach seiner Pensionierung ein passionierter Gärtner. <br />
<br />
Und dann, eines Tages in den nuller Jahren, fuhr er am Morgen schnell mit dem Rad hinaus nach Horw. Katharina wartete auf ihn mit dem Zmittag. Aber er kam nicht. Dafür kamen später zwei Männer. Als sie die vor der Tür sah, wusste sie sofort, dass etwas Schlimmes passiert war. Und in der Tat: Karl war kurz vor der Allmend auf der Hauptstrasse vom Velo gefallen wie ein Sack Zement - plötzlicher Herztod.<br />
<br />
Die Erinnerung daran kennt keine Gnade. Sie ist und bleibt entsetzlich.<br />
<br />
<i>Diesen Beitrag habe ich auch beim Herrn neonwilderness angemeldet - als Beitrag zu seinem Glück bringenden Projekt </i><a href="http://neonwilderness.net/txt/txt-die-beitraege/">*txt</a>. <i>Das zehnte Wort: "Glück".</i>
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2015 diefrogg
2015-07-21T16:09:00Z
-
Hochzeit mit Hindernissen
http://froggblog.twoday.net/stories/1022445318/
<i>Was bisher geschah: Wir schreiben das Jahr 1958. Karl und Katharina sind frisch verliebt - doch die Trennung droht: Karl ist Seemann. Sein Schiff soll nach Florida auslaufen. Eigentlich möchte er lieber in der Schweiz bleiben. Auch, weil Katharina Hilfe braucht. Sie ist unter der Knute von tyrannischen Arbeitgebern und hat als Österreicherin in der Schweiz wenig Chancen, auf eigene Faust eine neue Stelle zu finden.</i><br />
<br />
In seinem Dilemma suchte Karl Hilfe bei seiner älteren Schwester - eine Autorität in der Familie. Es war am Tag, bevor er den Zug nach Holland besteigen sollte, wo sein Schiff vor Anker lag. "Ich liebe Katharina", sagte er zu seiner Schwester. "Ich weiss nicht: Soll ich gehen oder bleiben?"<br />
<br />
"Du musst auf Dein Herz hören", sagte die Schwester.<br />
<br />
Da griff Karl zum Telefon und meldete seinem Arbeitgeber, dass er diesmal in Luzern bleiben würde. <br />
<br />
Er half Katharina, eine neue Stelle zu finden. Jemand verklagte die bösen Burgherrs. Und dann bekamen die beiden die Papiere, um zu heiraten.<br />
<br />
Das Datum stand schon fest. Da sagte jemand zu Katharina, sie könne ihren österreichischen Pass behalten - das müsse sie aber vor der Heirat organisieren. Damals verloren ja Frauen ihre Staatszugehörigkeit, wenn sie heirateten. <br />
<br />
Ja, Katharina wollte Österreicherin bleiben. Aber dazu musste die Hochzeit verschoben werden. Was würde Karl dazu sagen? Karl sagte: "Selbstverständlich sollst Du Deinen Pass behalten. Ich bin so stolz, eine Österreicherin zu heiraten - da ist das doch selbstverständlich."<br />
<br />
Da verschoben sie die Hochzeit.<br />
<br />
Aber dann, endlich, 1961, läuteten die Hochzeitsglocken.<br />
<br />
Karl fuhr später noch zwei- oder dreimal zur See. Beim dritten Mal hatte das Schiff Kurs von Holland durchs Mittelmeer Richtung Suezkanal - mit Zwischenhalt in Marseille. Als das Schiff in Südfrankreich anlegte, packte Karl seine Sachen, ging an Land und nahm den nächsten Zug nach Luzern. <br />
<br />
Später wurde er Lastwagenfahrer.<br />
<br />
Er und Katharina wohnten viele, viele Jahre lang in einer Mietskaserne im Maihofquartier. Karl war ein begnadeter Gärtner und hegte und pflegte ein paar Beete hinter dem Haus. Ich habe ihn oft gesehen, wenn ich an ihrem Haus vorbeiging. Er war ein lebensfreudiger Mann und schäkerte gerne ein bisschen.
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2015 diefrogg
2015-06-11T19:10:00Z
-
Rendez-vous mit Karl
http://froggblog.twoday.net/stories/1022441516/
<i>Was bisher geschah: Das Kindermädchen Katharina ist 1958 für einen einzigen Abend seinen tyrannischen Luzerner Arbeitgebern entkommen. Beim Tanzen verliebt sich die 21-Jährige Hals über Kopf in einen jungen Mann namens Karl.</i><br />
<br />
Der Abend klang aus. Als der letzte Tanz vorbei war, setzte Karl die junge Frau in ein Taxi. Er wolle sie wiedersehen, sagte er. Sie wolle das auch, sagte sie. Aber sie dürfe nicht ausgehen, wegen Burgherrs. Da sagte er: Ich werde im <a href="http://www.20min.ch/diashow/109318/109318-689HLY3ks1yRCBULPpEyqg.jpg">Café Rex</a> auf Dich warten. Jeden Abend. <br />
<br />
Karl war offensichtlich ein Kenner der damaligen Trendlokale. Die Bar beim längst verschwundenen Kino Rex war damals so angesagt, dass sie aus lauter Nostalgie ihren 50-er-Dekor bis zum heutigen Tag behalten hat. <br />
<br />
<img src="http://www.20min.ch/diashow/109318/109318-689HLY3ks1yRCBULPpEyqg.jpg" alt="" width="90%" /><br />
<i>(Quelle: www.20.min.ch)</i><br />
<br />
Aber wie sollte Katharina ins Café Rex kommen? Und würde Karl Wort halten?<br />
<br />
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wenige Tage später waren Burgherrs abends wieder einmal weg. Katharina konnte zwar nicht aus dem Haus. Aber in der Stube von Burgherrs stand das Telefon, und Katharina wusste, wo das Telefonbuch war. Sie würde einfach ins Café Rex anrufen. Mit fliegenden Händen blätterte sie die dünnen Seiten um - sie hatte nicht viel Zeit und nicht viel Übung im Durchforsten schweizerischer Telefonbücher.<br />
<br />
Aber sie fand die Nummer des Cafés. Und sie rief dorthin an. Und als sie eine Kellnerin am anderen Ende hatte, sagte sie: "Ich möchte mit dem Herrn Karl sprechen." Und die Serviererin rief in den Saal hinein: Herr Karl, ein Fräulein Katharina möchte Sie sprechen! Und dann hatte sie ihn am Apparat, den Herrn Karl. Er hatte tatsächlich auf sie gewartet.<br />
<br />
Von da an waren die beiden ein Paar. <br />
<br />
Nun galt es, Katharina aus den Fängen der Burgherrs zu befreien.<br />
<br />
Aber so einfach war das nicht. Denn schon wenige Tage später sollte Karl den Nachtzug nach Holland besteigen, wo sein Schiff vor Anker lag. Der Binnenländer Karl war Seemann. "Er war auf der ganzen Welt herumgekommen, durch den Suezkanal, nach China und durch den Panamakanal. Er sprach alle möglichen Sprachen, Arabisch verstand er sehr gut." Während der schicksalshaften Begegnung mit Katharina war er nur für zwei Wochen auf Heimaturlaub in Luzern. Sein Schiff sollte in den nächsten Tagen nach Florida auslaufen.<br />
<br />
Für ihn stellte sich ganz ernsthaft die Frage: Gehen oder bleiben?
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2015 diefrogg
2015-06-04T08:02:00Z
-
Der Mann im weissen Hemd
http://froggblog.twoday.net/stories/1022439842/
<i>Was bisher geschah: Katharina ist ihrem bedrückenden Arbeitsalltag als Kindermädchen für ein paar Stunden entkommen: Sie vergnügt sich im Luzerner Tanzlokal Alpengarten. Da betritt ein junger Mann den Saal.</i><br />
<br />
"Er war braun gebrannt, mit dunklen Haaren - und er trug ein weisses Hemd", erinnert sich Katharina. Sie habe immer gesagt: "Wenn ich einmal heirate, dann einen Mann mit brauner Haut, einem weissen Hemd und einer Krawatte." Der hier trug ein weisses Hemd - aber keine Krawatte. "Dafür sah ich, wie sich in seinem Hemdausschnitt ein paar dunkle Haare kräuselten."<br />
<br />
Die beiden warfen einander verstohlene Blicke zu. Aber vorerst geschah nichts. Dabei hätten sie nicht einmal aufzustehen brauchen, um ein paar Worte zu wechseln. Es gab im Alpengarten <a href="https://www.luzernerzeitung.ch/magazin/serien/frueher-heute/Im-Dancing-liefen-die-Draehte-heiss;art133624,348726">Tischtelefone</a>. Das war in den fünfziger Jahren der letzte Schrei. <br />
<br />
Ja, der Alpengarten!<br />
<br />
<img src="https://www.luzernerzeitung.ch/storage/scl/kantone/690502_m1w560v23274_01202636_13549766.jpg?version=1395072899" alt="" width="90%" /><br />
<i>(Quelle: www.luzernerzeitung.ch)</i><br />
<br />
Noch meine Eltern konnten sich vorstellen, dass dort auch ein Mann für mein Leben antanzen würde. Im Cha-cha-cha vielleicht. Mir schmeckte nur schon die Idee wie drei Tage abgestandener Minzentee. Und nicht nur mir. Das Haus atmete spätestens in den Achtzigern den falschen Zeitgeist. In den neunzigern riss man es ab und stellte ein Wohnhaus an seine Stelle. Ich fragte mich flüchtig, ob die Mieter manchmal von den jungen Leuten träumen, die dort einmal die Nächte durchtanzt haben.<br />
<br />
Es waren solche Momente, die mich an Katharinas Geschichte so fesselten sie beschwor Bilder von den alten Mauern meiner Stadt. Sie füllte sie mit den Geistern der Menschen, die zwischen ihnen gelebt haben. Sie gab ihnen die Sepiafarbe der Erinnerung und brachte sie zum Sprechen. Und doch verstand ich die Leidenschaften nicht, von denen sie sich hatten treiben liessen. Sie blieben Gespenster. <br />
<br />
Ausser dem jungen Mann im Alpengarten, anno 1958. Er war kein Gespenst. Er strahlte geradezu, filmreif. Doch er rührte sich immer noch nicht. Schliesslich war Damenwahl. "Da haben ich ihn zum Tanzen aufgefordert", sagte Katharina. "Und von da an tanzten wir jeden Tanz zusammen." Karl und Katharina. "Es war Liebe auf den ersten Blick", sagte sie. "Es war, als würden wir einander schon unser ganzes Leben lang kennen."<br />
<br />
Doch wie sollte sie ihn nach diesem Abend wieder treffen? Katharina arbeitete sieben Tage die Woche. Ausgehen durfte sie nicht.
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2015 diefrogg
2015-05-31T13:24:00Z
-
Missglücktes Schäferstündchen
http://froggblog.twoday.net/stories/1022435775/
<i>Was bisher geschah: Meine Nachbarin Katharina kommt in den fünfziger Jahren aus Kärnten nach Luzern und malocht wie eine Leibeigene. </i><a href="http://froggblog.twoday.net/stories/1022434855/">Hier</a> <i>mehr dazu. Dann erhält sie die Chance, wenigstens einmal tanzen zu gehen. Ihre Chefs sind weg - dennoch zögert sie. Sie hat Angst, erwischt zu werden. </i><br />
<br />
Das kam nicht von ungefähr. "Weisst Du, bevor ich in die Schweiz kam, ging ich mit meiner Schwester nach Klagenfurt. Wir arbeiteten dort bei einem Bäcker", sagte sie. "Wir konnten in seinem Haus wohnen." Eines Tages fuhren der Chef und seine Frau für drei Tage weg. <br />
<br />
Am zweiten Tag bekam Katharinas Schwester Besuch von einem Verehrer. "Ich ging extra auf einen längeren Spaziergang, damit die beiden ein paar Stunden für sich allein hatten", sagte sie. Was dann geschah, lässt sie noch nach 60 Jahren vor Schreck erblassen: "Als ich zurückkam, waren der Bäcker und seine Frau wieder zurück - einen Tag zu früh. Dafür war meine Schwester weg. In ihrem Zimmer war gar nichts mehr. Alles leer." <br />
<br />
Später stellte wurde klar, was passiert war: Die Schwester hatte mit dem Liebsten im Bett gelegen. "Mit dem sie heute noch verheiratet ist!" betonte Katharina. Und dann seien die Bäckers nach Hause gekommen. Und hätten die Ladentochter im Bett gefunden. Allein, denn der junge Mann hatte sich eilends hinter einem Vorhang versteckt. Doch der Stoff reichte ihm nur bis zu den Waden. Man konnte seine Füsse sehen. <br />
<br />
Der Bäcker entdeckte ihn und jagte ihn fort - die ältere Schwester wurde auf der Stelle entlassen. Auch Katharina musste noch am gleichen Tag gehen. Und jetzt sass sie in Luzern und fürchtete, dass nochmals ein ähnlicher Alptraum passieren könnte. <br />
<br />
Aber ihre Nachbarn liessen nicht locker. Sie wollten sie zum Tanzen mitnehmen. Und so gingen sie alle drei in den Alpengarten. "Erinnerst Du Dich noch an den Alpengarten?" fragte sie. "Bei der Talstation der Dietschibergbahn?"<br />
<br />
Ja, ich erinnerte mich vage.<br />
<br />
Dort also vergnügte sie sich. Und dann sah sie einen Mann zur Tür hereinkommen.<br />
<br />
Aber von ihm dann mehr nach Pfingsten!
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2015 diefrogg
2015-05-22T14:39:00Z
-
Karl und Katharina
http://froggblog.twoday.net/stories/1022434855/
Nicht in einem Märchenschloss begann die Liebesgeschichte von Karl und Katharina Rüedi, und nicht einmal in einer Arztvilla. Sondern in diesem biederen Mehrfamilienhaus. <br />
<br />
<img src="http://www.kulturkonzept.ch/daniela/huenenbergstrasse.JPG" alt="" /><br />
<i>Hünenbergstrasse 20, Luzern<i></i></i><br />
<br />
Ihr habt ihre Geschichte <a href="http://froggblog.twoday.net/stories/1022432679/">lesen wollen</a> - also gut, Ihr sollt sie haben!<br />
<br />
Solche Häuser wurden in unserer Stadt nach dem Krieg zu Hunderten gebaut. Hier schuftete Katharina 1958 als Kindermädchen. Ihre Arbeitgeber hiessen sinnigerweise Burgherr. Der Burgherr habe etwas Geld mit einem Patent gemacht, erinnert sich Katharina. Gearbeitet habe er jedenfalls nicht. <br />
<br />
Katharina lebte hier schlimmer als einst Aschenbrödel. Sie musste auf die beiden Söhne aufpassen, ging mit ihnen auf den Spielplatz und wurde gelegentlich zum Einkaufen geschickt. Sonst durfte sie nicht aus dem Haus, nie. Freien Tag hatte sie keinen, Lohn auch nicht. Das Arbeitsverhältnis war gewiss auf 100 Arten ungesetzlich. Katharina war um die zwanzig, sie wehrte sich nicht. Sie war aus Kärnten gekommen. Wenn Du jemandem etwas sagst, stellen wir dich einfach an die Grenze, drohten Burgherrs. Damit hatte es sich. <br />
<br />
Gelegentlich schickte Frau Burgherr Katharina in die nahe Metzgerei. Dort sollte sie 100 Gramm Hackfleisch holen. Die Hausfrau machte dann zu Hause Bolognese für fünf Personen. Sie goss die Sauce zuunterst in die Schüssel, obendrauf kamen Spaghetti. Die oberste Schicht Teigwaren schöpfte die Chefin weg und gab sie Katharina - ganz ohne Sauce. Dann erst rührte sie die Spaghetti um und bediente die Familie. <br />
<br />
Wenn das Mädchen in die Bäckerei musste, war das Geld genau abgezählt. Sie musste jeweils zwei Schnecken kaufen, für die Buben. <br />
<br />
<img src="http://www.baeckerei-mathieu.ch/typo3temp/pics/2676701085.jpg" alt="" width="90%" /><br />
<i>(Quelle: www.baeckerei-mathieu.ch)</i><br />
<br />
Für sie selber gab es nicht einmal eine Semmel. <br />
<br />
Katharina wäre gerne tanzen gegangen. Tanzen, das konnte sie. Aber ausgehen - undenkbar! Erst als Burgherrs einmal für drei Tage wegfuhren, schöpfte sie Hoffnung. Ein Ehepaar aus der Nachbarschaft wollte sie in ein Tanzlokal mitnehmen. <br />
<br />
"Erst wollte ich gar nicht mit - ich hatte Angst, dass Burgherrs absichtlich früher nach Hause kommen und mich ertappen würden", sagte sie. <br />
<br />
Ich hatte ihr bislang in unserer Quartier-Konditorei still gegenüber gesessen - nur wenige Schritte von der Hünenbergstrasse entfernt. Ich machte nur ab und zu einen ermunternden Laut. Jetzt sagte ich: "Wer macht denn so etwas?!"<br />
<br />
Ich hatte eine kurze Antwort erwartet. Aber ich hatte nicht mit Katharinas Talent zur Abschweifung gerechnet - sofort begann sie mit einer pikanten Rückblende auf ihre Zeit in Kärnten. Aber die erzähle ich Euch nächstes Mal.
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2015 diefrogg
2015-05-20T12:53:00Z
-
Unglaubliche Liebesgeschichte
http://froggblog.twoday.net/stories/1022432679/
Meine treuen Leser wissen es: Ich habe literarische Ambitionen und arbeite an einer Liebesgeschichte. Heute Morgen grübelte ich darüber nach, ob ich meinen Lesern eine Kotz-Szene zumuten solle. In angelsächsischen Liebesromanen ist die Kotz-Szene obligatorisch. Beispiel: Die Heldin ist betrunken und hustet sich auf einem Parkplatz drei Margaritas aus dem Leib - der Held ist zur Stelle und hält ihr den Kopf. Damit erbringt er den Beweis, dass er sie liebt. Logisch, oder? Aber nicht sehr appetitlich.<br />
<br />
Ich kam zu keinem Ergebnis. Ich ging einkaufen.<br />
<br />
Im Coop am Schlossberg traf ich Nachbarin Katharina. <br />
"Kommst Du mit mir einen Kaffee trinken?" fragte sie. <br />
<br />
Ich zögerte. Katharina ist sehr redselig, seit ihr Mann vor zehn Jahren einmal nicht mehr von einer Radtour zurückgekommen ist. Er fiel in Horw wie ein Sack Zement vom Rad - Herzinfarkt. Das erzählt sie immer und immer wieder und noch viel, viel mehr. Es ist, als rede sie um ihr Leben. Ich sagte, ich hätte keine Zeit. Ja, ich gestehe es: Ich bin eine Zicke, die einsame Nachbarinnen im Stich lässt. <br />
<br />
Auf mich wartet zu Hause schliesslich eine grosse Aufgabe.<br />
<br />
Aber Katharina liess nicht locker. Und so ging ich mit. <br />
<br />
Da sassen wir, im blässlichen hinteren Zimmer unserer Konditorei am Schlossberg.<br />
<br />
<img src="http://www.kulturkonzept.ch/daniela/schlossberg.JPG" alt="" /><br />
<br />
Wieder quasselte sie von ihrem Karl. Sie ist aus Österreich, man hört es an ihrer Sprache. <br />
<br />
"Wie bist Du eigentlich nach Luzern gekommen? Wo hast Du ihn denn kennen gelernt?" fragte ich.<br />
<br />
Da passierte etwas Merkwürdiges: Aus der blabbernden Frau wurde mit einem Mal eine grosse Geschichtenerzählerin. Sie legte eine absolut bezaubernde Liebesgeschichte hin. Eine halbe Stunde lang.<br />
<br />
Schliesslich lachte sie und sagte: "Ja, das ist doch verrückt, oder? Jemand sollte das aufschreiben." Und genau damit habe ich heute den Nachmittag verbracht. Wenn Ihr wollt, erzähle ich sie Euch - gewissermassen als Fingerübung. Aber ich brauche dafür ein paar ermunternde Kommentare. Ich muss wissen, ob das überhaupt jemand lesen will.<br />
<br />
Sonst wende ich mich wieder den Kotz-Szenen zu.<br />
<br />
Also, meldet Euch!
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2015 diefrogg
2015-05-16T14:47:00Z
-
Die tiefste Stelle des Sees
http://froggblog.twoday.net/stories/1022404548/
214 Meter tief ist die tiefste Stelle des Vierwaldstättersees. Das Wasser wogte wie ein düsterer Vorhang, als in der Nacht auf den 31. Dezember 1995 ein Schiff auf sie zuhielt. Links und rechts standen finster die 1000 Meter hohen Flanken der Rigi und des Bürgenstocks.<br />
<br />
Auf dem Schiff herrschte festliche Stimmung. Wein und Bier flossen in Strömen. Ich kann mich erinnern, ich war dabei und hatte selbst ein paar Gläschen intus. <br />
<br />
Dann stellte das Schiff den Motor ab und zwei Männer stiegen aufs Deck. Einer trug ein schweres Metallrohr. Nach einer kurzen Ansprache warf er es in die schwarzen Wellen - auf dass es 214 Meter tief sinke und wenigtens dort unten eine Art Ewigkeit erhalte. Es enthielt die letzte Ausgabe der <a href="http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D24876.php">Luzerner Neuesten Nachrichten</a>, frisch von der Druckmaschine. Das Blatt war wegfusioniert worden. Wie so viele Lokalzeitungen jener Jahre. Wir schauten zu. Ob wir applaudierten, weiss ich nicht mehr.<br />
<br />
Ich war 29, und der Job bei den LNN war mein erster, der mir etwas bedeutete. Ich lernte in jener Nacht, wie man eine Welt gepflegt zu Grabe trägt. Für viele war das Ende des Lokalblatts das Ende eines goldenen Zeitalters. Für einige folgten Jahre der Bitterkeit und der Missgunst. Kaum etwas kann die Menschen in unserer friedfertigen Welt so tief entzweien wie ihre Lokalzeitung. Aber jenes Fest war ein fröhliches Fest, gediegen, geradezu zauberhaft. <br />
<br />
Das alles ist im Grunde nichts Aussergewöhnliches. Dass ganze Betriebe von der Zeit verschlungen werden, ist in unserer Welt völlig normal - es entstehen jedesmal Lebensbrüche, Stress und ein paar gescheiterte Existenzen. Und doch: Wenn ich sie erzähle, komme ich mir lächerlich vor - wie ein Grossvater, der nicht aufhören kann, vom Aktivdienst zu erzählen. So tief geht die heilende Kraft des Vergessens.<br />
<br />
* <i>Dieser Beitrag ist inspirert vom </i><a href="http://neonwilderness.net/2015/02/18/das-dritte-wort-txt/">dritten Wort</a> <i>auf *txt</i> - <i>"abgrundtief"</i>.
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2015 diefrogg
2015-03-07T14:45:00Z
-
Meine Strasse
http://froggblog.twoday.net/stories/1022379446/
<img src="http://www.kulturkonzept.ch/daniela/maihof-1.jpg" alt="" width="99%" /><br />
<i>Das Restaurant Libelle an der Maihofstrasse 61 in Luzern</i><br />
<br />
Der <a href="http://www.skiai.ch/">pedestrian</a>* und ich standen neulich zusammen vor <a href="http://restaurantlibelle.ch/">diesem Restaurant</a>. Er erinnerte mich daran, dass im selben Lokal noch vor einem Jahr ein Matratzenladen war. "Wenn in einem Haus am Stadtrand Matratzen verkauft werden, dann ist der Tiefpunkt erreicht", sagte er. Er meinte den Tiefpunkt des städtischen Lebens. Matratzenläden sind meistens an Ausfallstrassen - und an Ausfallstrassen will kein Mensch verweilen.<br />
<br />
Wir bewunderten beide das neue Lokal gebührend - es zeigt doch, dass die Maihofstrasse zu neuem Leben erwacht. <br />
<br />
Dann griffen wir zu unseren Kameras und machten uns an die Arbeit. Wir waren hier für unser gemeinsames Spaziergänger-Projekt. Aufgabe: In einer Dreiviertelstunde die Maihofstrasse fotografieren, zwischen der "Libelle" und der Tankstelle an der Stadtgrenze, ungefähr 300 Meter. Danach machen wir auf dem Internet etwas draus - jeder auf seine Art. Was der pedestrian gemacht hat, ist <a href="http://www.skiai.ch/luzern_maihof.html">hier</a> zu sehen.<br />
<br />
Vom Maihofquartier könnte ich stundenlang erzählen. Ich wohne in der Gegend. Ich habe den Niedergang der Strasse durch tägliche Anschauung erlebt. Noch bis Anfangs der nuller Jahre hatte der Maihof eine Beiz, eine Post, ein <a href="http://froggblog.twoday.net/stories/4947930/">Quartierlädeli</a> und sogar eine Drogerie. Dann schloss die Post. Dann die Drogerie, dann das Lädeli. Nur die Beiz, das <a href="http://www.maihoefli.ch/">Maihöfli</a>, blieb.<br />
<br />
<img src="http://www.kulturkonzept.ch/daniela/maihof-2.jpg" alt="" width="99%" /><br />
<i>Seiteneingang des Restaurants Maihöfli, Maihofstrasse 70<br />
</i><br />
Es war bereits in den neunziger Jahren ein Gourmet-Tempel geworden. Seither kann man hier in gemütlichem Ambiente für ein exorbitant gutes Essen exorbitant viel Geld ausgeben. Herr T. und ich essen dort, wenn wir etwas zu feiern haben. Es liegt direkt gegenüber der "Libelle" - wir haben jetzt fast schon eine Ausgehmeile im Quartier.<br />
<br />
Weiter stadtauswärts dominieren ältere Wohnhäuser. Aber dicht an der Stadtgrenze steht die Nummer 95, ein erst drei, vier Jahre altes Gebäude. Es steht mit für den Aufbruch an der Maihofstrasse. Als es neu war, schien es mir aussergewöhnlich ambitioniert für diese Gegend. <br />
<br />
<img src="http://www.kulturkonzept.ch/daniela/maihof-3.jpg" alt="" /><br />
<i>Maihofstrasse 95</i><br />
<br />
Es beherbergt ein Fitness-Zentrum, eine englischsprachige Schule, einen Hörgeräte- und einen Küchenladen.<br />
<br />
<img src="http://www.kulturkonzept.ch/daniela/maihof-4.jpg" alt="" width="99%" /><br />
<i>Selbstporträt mit Kochtöpfen an der Maihofstrasse 95c</i><br />
<br />
Nach Besichtigung der Nummer 95 wurde ich regelbrüchig. Ich zog von der Strasse weg, hinauf zur Maihofmatte. Hier kann man die Kehrseite der Neubelebung besichtigen. Seit 1948 steht hier eine Wohnsiedlung der <a href="http://www.abl.ch/siedlungen/siedlungsentwicklung/">Allgemeinen Baugenossenschaft Luzern (ABL)</a> - nie saniert, die Wohnungen spottbillig. <br />
<br />
<img src="http://www.kulturkonzept.ch/daniela/maihof-7.jpg" alt="" width="99%" /><br />
<i>Maihofmatte</i><br />
<br />
Aber jetzt ist hier der Dornröschenschlaf zu Ende: Ab 2016 wird gebaut, meldete die <a href="http://www.luzernerzeitung.ch/nachrichten/zentralschweiz/lu/abo/ABL-baut-107-neue-Wohnungen;art9647,449238">Neue Luzerner Zeitung</a> kürzlich. Danach dürften die Mietzinse in für viele der jetzigen Bewohner exorbitante Höhen steigen.<br />
<br />
* Dank an den pedestrian für die Inspiration und die Arbeit an den Bildern!
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2014 diefrogg
2014-12-20T14:59:00Z
-
Pistolenschüsse
http://froggblog.twoday.net/stories/706567831/
<img src="http://www.kulturkonzept.ch/daniela/fasnacht_14.JPG" alt="" /><br />
Schmutziger Donnerstag in der Luzerner Altstadt<br />
<br />
Hier in Luzern ist gerade die Fasnacht ausgebrochen. Da sind Sitte und Moral und anständiges Benehmen immer grosse Themen, wie man auch auf dem Bild oben sieht - es zeigt einen Sittenpolizisten beim Tändeln mit einer Klientin. An der Fasnacht darf man alles, was man sonst nie darf, heisst es.<br />
<br />
Wobei das nicht für die Schüler der Stadt Luzern gilt. Die dürfen an die Schulfasnacht keine Spielzeugwaffen mehr mitnehmen - ihr wisst schon: Ritterschwerter und Chäpsli-Pistolen*.<br />
<br />
"Die haben das wegen der Sauerei verboten", erklärte mir Gottenbub Tim (8) mit seinem kompetentesten Ton. "Diese Chäpsli geben so eine Sauerei." Man kann Kindern ja nicht erklären, dass Schiessen mit Chäpsli-Pistolen politisch nicht korrekt ist. Deshalb das Kindermärchen von der Sauerei. Immerhin ist wohl die Sauerei die wahre Ursache dafür, dass die Kids auf dem Pausenplatz nur noch auf einem extra dafür bezeichneten Plätzchen mit Konfetti und Luftschlangen um sich werfen dürfen. Die Patentante (49) langte sich an den Kopf, als sie das hörte. Wo kommen wir hin, wenn an der Fasnacht die Chäpsli-Pistolen und die Konfetti verboten werden?! Können dergestalt gezähmte Kinder überhaupt normale Erwachsene werden?!<br />
<br />
Nun ist die Patentante seit Jahren aus gesundheitlichen Gründen fasnachtsabstinent. Denn an der Fasnacht trifft sie immer die ätzende Schwester der Schwerhörigkeit: die Hyperakusis, auch Lärmempfindlichkeit (hier mehr <a href="http://froggblog.twoday.net/stories/129659803/">hier</a> über sie). <br />
<br />
Aber dann packte er mich heute doch, der Fasnachtsvirus. Zum ersten Mal seit Jahren. Mit gut verstöpselten Ohren machte ich mich am Nachmittag für ein Viertelstündchen auf ins Getümmel in der Altstadt. Das erste was ich hörte, war: Die Chäpsli-Pistole ist keineswegs aus dem fasnächtlichen Soundpanorama verschwunden. Im Gegenteil! Was für ein Geknalle! Hinter jeder Ecke Cowboys, Räuber, Polizisten! Gott sei Dank ist noch niemand auf die Idee gekommen, Ohropax zu verbieten.<br />
<br />
Später machte ich zu Hause eine Google-Bildersuche nach Chäpsli-Pistolen. Da wurde mir klar, was man heute für Spielzeugwaffenarsenale man heute so kaufen kann. Wahres Kreigsspielzeug! Plötzlich begriff ich das Verbot.<br />
<br />
* Das sind diese Spielzeug-Pistolen, mit denen man rosarote Streifen mit Knallerbsen verschiessen kann. Keine Ahnung, wie das auf Hochdeutsch heisst.
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2014 diefrogg
2014-02-27T19:21:00Z
-
Jubel im traurigen Café
http://froggblog.twoday.net/stories/565874050/
Alles hier ist in langen Jahren ins gleiche, undefinierbare Gelblich herübergewelkt: die Wände, die Vorhänge, die Gäste. Es ist ein himmeltrauriges Café. Fast unsichtbar steht es im Verkehrsgebrüll einer Ausfallstrasse. Ich bin überhaupt nur hier, weil ich in der Nähe einen Termin habe und viel zu früh dran war.<br />
<br />
Ich bin in eine untergehende Welt geraten. Zwei alte Männer blättern stoisch in der Zeitung. Es ist früher Nachmittag. Der Wirt - selber steinalt - bringt im Zeitlupentempo zwei Teller mit Speck und Bohnen - für sich und seine Frau, die im Lokal serviert. Er hat ein Zwänzgabachtimuul*.<br />
<br />
Plötzlich fragt der eine Rentner den Wirt über zwei Tische hinweg: "Hesch de Match gseh?"** "Jojo", sagt der Wirt, "aber die hend jo schlächt gschpelt, die andere, die hättid doch das vel besser chönne!"*** Seine Mundwinkel sinken noch tiefer, so viel Verachtung in einem einzigen Gesicht! Sie zielt wohl auf Chelsea, das <a href="http://www.nzz.ch/aktuell/sport/fussball/basel-gelingt-die-ueberraschung-1.18192724">gestern Abend</a> an der Champion's League vom FC Basel abgetrocknet wurde. Eine Sensation! Bilder vom jubelnden Basler Torschützen Salah zieren heute sämtliche Frontseiten im Land.<br />
<br />
<img src="https://www.tageswoche.ch/images/cache/300x200/crop/images|cms-image-003498131.jpg" alt="" /><br />
(Quelle: tageswoche.ch)<br />
<br />
Der Gast lässt sich nicht beirren. "Momoll", sagt er, "die hend scho guet gschpelt, mer hed das gfalle!"****<br />
<br />
Unerwartet mischt sich auch der andere Gast ein, ein neunzigjähriger Geist mit blauen Ringen unter den Augen und einem zeitlosen Buchhalter-Anzug: "Das hat es noch nie gegeben!" ruft er aus, "Auf der linken Flanke war jeder einzelne in Topform, von vorne bis hinten. Das wird es lange, lange nicht mehr geben!" <br />
<br />
Nun kommt Begeisterung auf, der gelbliche Raum leuchtet, phosphoresziert gewissermassen. Die Mundwinkel des Wirtes stehen bald auf fünf vor halb sieben, aber er kann nichts gegen die plötzliche Lebendigkeit in seinem Lokal tun. Sie dauert wenige Minuten.<br />
<br />
Dann geht der erste Gast. "Emmer vorewäg nä!", sagt der Wirt zum Abschied. "Jojo, nämmers wies chond"*****, sagt der Gast. Es ist der Rentnergruss in unserer Stadt.<br />
<br />
<br />
*Luzerndeutsch für eine mürrische Miene: Die Mundwinkel sehen aus wie Uhrzeiger, die auf zwanzig nach acht stehen.<br />
** "Hast Du den Match gesehen?"<br />
*** "Die haben doch schlecht gespielt. Die hätten das doch viel besser gekonnt."<br />
**** "Die waren schon in Ordnung. Mir hat das gefallen."<br />
**** Zwei Versionen von: "Wir werden schön eins ums andere tun."
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2013 diefrogg
2013-11-27T16:32:00Z
-
Flucht aus der Fata Morgana
http://froggblog.twoday.net/stories/498218922/
Am Freitag hatte ich eigentlich vor, wieder ins Fitness-Center zu gehen. Aber es war ein Tag wie aus dem Bilderbuch. "Wer an einem solchen Tag in eine düstere Muckibude geht, ist selber schuld", sagte Frau Frogg. <br />
<br />
Ich ging spazieren.<br />
<br />
Ich startete am <a href="http://froggblog.twoday.net/stories/326201255/">Seetalplatz</a> bei den grossen Fabriken. Aber eigentlich suchte ich etwas anderes. Rechts der Kleinen Emme fand ich zwischen Autogaragen und Spenglerbetrieben den Aufstieg durch den Rothenwald. Schliesslich stand ich auf einem Hügel mit Sportplatz und sah, was ich hatte sehen wollen: die Fata Morgana. <br />
<br />
<img src="http://www.kulturkonzept.ch/daniela/ruopigen.JPG" alt="" /> <br />
<br />
Die Siedlung im Vordergrund heisst eigentlich Pilatusblick - auch wenn man auf dem Bild die Rigi sieht. Es ist sowieso ein schwaches Bild, ein Handybild halt. Es erklärt nicht, warum ich die Häuser die Fata Morgana nenne. Ich nenne sie so, weil sie weiss schimmert - bei jedem Wetter. Und weil sie, nur leicht erhaben über Wohnsilos und Fabriken, unerschrocken das Ideal des Lebens im Einfamilienhaus behauptet.<br />
<br />
Ich stieg hinunter in die Fata Morgana. Und, Freunde, ich wollte gewiss nicht auffallen und folgte auch nur dem Hauptweg durchs Quartier. Aber schon an der ersten Strassenecke folgten mir die argwöhnischen Blicke dreier Anwohner. Sofort war klar: Hier sind Eindringlinge nicht willkommen.<br />
<br />
Ich machte mich vom Acker. Ich wollte nicht, dass man mir die Polizei auf den Hals hetzt. Als ich bei der Hauptstrasse war, grinste der DJ in meinem Kopf pfiffig und warf einen Song aus den achtziger Jahren an: <b>Reussbühl</b> von <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_H%C3%B6sli">Hösli</a>.<br />
<i><br />
Ich leb' in einem Örtchen, das<br />
sich aufgegeben hat<br />
<br />
Geschichte nicht kennt - nicht will<br />
<br />
Mit fünftausend mehr wär's <br />
vielleicht 'ne Stadt<br />
<br />
My God - I live in Reussbühl-Hill<br />
<br />
Die Polizei, das hört' ich sagen<br />
die hat einen Schlüssel für<br />
meine Wohnung in Reussbühl<br />
<br />
Sie lieben keine Blumen und<br />
hegen keine Gärten<br />
<br />
Lieben's dunkel und löschen das<br />
Licht dazu<br />
<br />
Haben Krach mit vollbehaarten <br />
Hausabwarten<br />
<br />
Um acht ist Nacht und dann ist <br />
Ruh<br />
<br />
Die Asylanten, das hört' ich <br />
sagen, die binden den Abfall-<br />
sack nicht zu - in Reussbühl<br />
<br />
Dort wo der Bus vielleicht<br />
Einfach gar nicht hält<br />
<br />
Sitte und Moral zerfällt<br />
<br />
Das billigste Bier weit + breit<br />
<br />
Für viel mehr bleibt keine Zeit<br />
<br />
Buskontrolleute, das hört' ich <br />
sagen, die kontrollieren am <br />
allerliebsten in Reussbühl<br />
<br />
Und Reussbühler hört' ich<br />
schon sagen, nirgends auf der <br />
Welt ist es wie in Reussbühl.*</i><br />
<br />
*Zitiert aus <a href="http://www.prolibro.ch/verlag/spezial/s14.html">Dominik Riedo (Hg.): "Luzern Luzern"</a>, Verlag Pro Libro Luzern, 2011<br />
<br />
<a href="http://www.youtube.com/watch?v=B8MJctxMjk8">Hier</a> gibts endlich ein YouTube von der Fassung von 1994! Die bessere Fassung mit einem saftigen Bläsersatz klingt <a href="http://drs.srf.ch/www/de/drs/350962.reussbuehl.html">hier</a> an - und es gibt dazu eine Menge über Reussbühl. Und <a href="http://www.youtube.com/watch?v=2ZIpM3CN4ho">hier</a> noch ein YouTube mit Hösli als junger Sänger mit Rockgott-Potenzial.
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2013 diefrogg
2013-09-29T15:36:00Z
-
Aus der Unwetterzone
http://froggblog.twoday.net/stories/418666179/
Mein Freund English versteht sich aufs Wetter, weil er einen Wettersatelliten-Radar gebaut hat. Zum Thema Regen hat er einen Lieblingssatz: "Zu jedem möglichen Zeitpunkt regnet es auf genau einem Prozent der Erdoberfläche." Den wiederholt er gerne, weil er mich damit zum Lachen bringt. Ich wohne in Luzern und damit auf jenem einen Prozent Erdoberfläche - sehr häufig.<br />
<br />
Heute habe ich auch darüber gelacht - es war ein sarkastisches Lachen. Denn bei uns regnet es zurzeit so ausdauernd, dass auf allen anderen 99 Prozent der Erdoberfläche eine brutale Trockenzeit ausgebrochen sein muss. Wenn es jetzt noch warm wird und in den Bergen die gewaltigen Schneemassen des vergangenen Winters schmelzen, droht Hochwasser.<br />
<br />
Über Nacht soll es deutlich wärmer werden.<br />
<br />
Klar, dass es Frau Frogg zu einem Pegelstand-Spaziergang drängte: vom Luzernerhof dem Seeufer entlang bis zum Schwanenplatz, dann der Reuss entlang via Kreuzstutz und Xylophonweg bis zum Seetalplatz. Dort trifft die Reuss auf die Kleine Emme. Wobei die Kleine Emme bei Dauerregen überhaupt nicht mehr klein ist, sondern aggressiv anschwillt und von mitgerissenem Erdreich hellbraun wird. Die Reuss dagegen kommt aus dem See und ist blau oder grün. So kann man man vom Seetalplatz aus den braunen und den grünen Fluss noch kilometerlang nebeneinander im gleichen Bett fliessen sehen. Es dauert jeweils lange, bis sich die beiden Gewässer anfreunden.<br />
<br />
Freudig überracht stellte ich fest, dass Veronika ebenfalls einen Pegelstand-Spaziergang vorhatte - Katastrophentourismus nannte sie es. Wir nahmen auch Tim (8) und seine grosse Schwester Anna mit.<br />
<br />
Allerdings mussten wir unsere kühnen Pläne schon kurz nach dem Kreuzstutz, auch <a href="http://www.teufelskreisel.ch/videostart.html">Teufelskreisel</a> genannt, aufgeben: Der Xylophonweg reussabwärts war mit einem rotweissen Band gesperrt wie der Schauplatz eines Verbrechens. Die Reuss kam dort unten bereits über die Ufer. Wir fuhren mit dem Bus bis zum Seetalplatz und warfen einen kurzen Blick auf die überkochende Emme. Die Spazierwege dort sind auch schon gesperrt. Plötzlich konnte ich mir vorstellen, dass dieser Fluss 2005 eine dicht besiedelte, verkehrsreiche Region in ein Schlammloch verwandelt und einen Bekannten von mir in seinem Keller <a href="http://froggblog.twoday.net/stories/8417781/">beinahe in den Tod</a> gerissen hat.<br />
<br />
Das kann böse werden.<br />
<br />
Bilder gibts <a href="http://www.luzernerzeitung.ch/nachrichten/bilder/news/Unwetter-in-der-Zentralschweiz;cme89598,556545">hier</a>
diefrogg
luzern, luzern
Copyright © 2013 diefrogg
2013-06-01T17:08:00Z
find
Search this site:
q
http://froggblog.twoday.net/search