31
Mrz
2014

Inspirierende Behinderte

Behinderte in den Medien - das sind Menschen, die trotz ihrer Einschränkung strahlen. Sie leisten Überragendes und reden ihre Schwierigkeiten im Alltag klein. Und sie sind erst noch inspirierend - weil sie doch trotz ihrer misslichen Lage sooooo tapfer sind.

Ich kann Euch gar nicht sagen, wie ich auf einen Artikel gewartet habe, der das Phänomen einmal einer kritischen Analyse unterzieht! Bei Mia auf ivinfo gibt es jetzt einen solchen: Hier. Es heisst dort "Inspirations-Porno." Ein paar Auszüge aus dem Artikel von Stella Young in meiner Übersetzung:

"Lasst mich die Absicht dieses Inspirations-Pornos beim Namen nennen. Er ist da, damit Nicht-Behinderte ihre Sorgen relativieren können. Sie können sagen: 'Also, wenn dieses Kind keine Beine hat und trotzdem lächeln kann ... sollte ich mich niemals wegen meines Lebens schlecht fühlen.'

So machen diese Bilder jene zu Objekten und Ausnahmen, die sie darzustellen vorgeben. Sobald wir nur hinterfragen wie wir dargestellt werden, rutschen wir sofort ans andere Ende der Skala und werden 'bitter' und 'undankbar'. Wir versagen dabei, die Erwartungen der anderen zu erfüllen."

Die Behauptung 'die einzige Behinderung ist eine negative Einstellung' erlegt die Verantwortung für die Benachteiligung ... direkt den Menschen mit Behinderung selber auf. Doch damit beschuldigt sie die Opfer. Sie behauptet, dass wir komplette Kontrolle darüber, wie die Behinderung unser Leben beeinflusst. Dazu kann ich nur eins sagen: Fickt Euch ins Knie!"

Bravo! Bravo! Bravo!

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https://froggblog.twoday.net/stories/714915975/modTrackback

steppenhund - 31. Mär, 22:16

OK

Ich mag Menschen, die strahlen. Sie müssen keine Behinderung haben. Ich mag Menschen, bei denen ich sehen kann, dass sie gerne arbeiten, selbst wenn es nur ein ganz einfacher Job ist, bei dem es nicht selbstverständlich ist, dass man sich damit identifizieren kann.
-
So: also ich erwarte Strahlen. Von jedem. Und der oder die, der oder die nicht strahlt, wird von mir nicht richtig wahrgenommen.
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Und mit Raunzern kann ich kein Mitleid haben. Ob sie eine Behinderung haben oder nicht, ist mir dann egal.
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Ich erwarte mir, dass sich jemand bemüht. Das erwarte ich auch von mir selbst. Manchmal siegt ja der innere Schweinehund. Freuen tu ich mich aber, wenn einmal ich gewonnen habe.
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Ich stelle fest: Mitleid soll man nicht haben, loben soll man sie nicht, selbst wenn sie "inspirierend" sind.
"Er ist da, damit Nicht-Behinderte ihre Sorgen relativieren können. Sie können sagen: 'Also, wenn dieses Kind keine Beine hat und trotzdem lächeln kann ... sollte ich mich niemals wegen meines Lebens schlecht fühlen.'"
Da geht es nicht nur um Behinderte. Da geht es darum, dass wir allgemein sehen sollten, dass es Leute gibt, denen es viel schlechter geht, - UND dass wir mit unserem Leben zufrieden sein sollten.
Raunzen ist einfach nicht drin. Es gibt keine Entschuldigung dafür. Daher halte ich den Satz durchaus für legitim, allerdings nicht in der Beschränkung auf Behinderte. Er sollte generell Gültigkeit haben.
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Aber wenn es Spass macht, ihn wie oben zitiert zu interpretieren, soll es mir auch recht sein. Ich brauche keine Behinderten, um dem Leben dankbar zu sein.

diefrogg - 1. Apr, 20:27

Jetzt enttäuschen...

Sie mich aber ein bisschen, Herr Steppenhund - da glänzen Sie doch so gerne mit Ihren Fähigkeiten als Medienkritiker. Und dann denken Sie gar nicht dran, dass die Medien eigentlich nicht in erster Linie die Aufgabe hätten, uns strahlende Gesichter zu präsentieren. Nein, sie sind in erster Linie der die Wahrhaftigkeit verpflichtet. Wenn sie diese Verpflichtung vernachlässigen, laufen die Medien Gefahr, echte Probleme auf dem Niveau eines seichten Krimis abzuhandeln. Und das mögen Sie bekanntlich auch nicht, oder?

Mit dem nüchternen Auge des Newsmenschen sehe ich natürlich sofort, dass eine behinderte Person mit Problemen von geringem öffentlichem Interesse ist. Der gesunde Durchschnitts-Medienkonsument geht ja davon aus, dass Menschen mit Behinderung Probleme haben. Ein behinderter Mensch, der Aussergewöhnliches leistet und dabei auch noch strahlt, ist dagegen auf ungefähr drei Arten ein Held oder eine Heldin, und damit portraitierenswürdig. Dass er oder sie strahlt, dafür wird schon allein das Medieninteresse sorgen, das weiss ich aus einschlägiger Erfahrung. Menschen strahlen immer, wenn sie wegen einer guten Leistung in die Zeitung kommen.

Übrigens haben viele Menschen mit Behinderung durchaus Probleme von öffentlichem Interesse - zum Beispiel versagen in diesem Bereich immer mal wieder die Behörden - und zwar systematisch. Oder die Gesetze werden nicht eingehalten. Oder die Gesetze sind ganz einfach diskriminierend. Aber das interessiert den Durchschnitts-Medienkonsumenten leider viel weniger als die Strahle-Behinderten, an denen er sich aufrichten kann.

Menschen mit Behinderung bemühen sich, auch wenn es Sie nicht interessiert, Herr Steppenhund. Ich kenne mittlerweile eine Menge Menschen mit einer Behinderung. Weiss Gott, sie bemühen sich. Und sie brauchen Ihr Mitleid nicht - das wissen Sie genau, wenn Sie meine Beiträge zu diesem Thema gelesen haben.
tinius - 1. Apr, 03:40

In Deutschland gibt es inzwischen eine Seite und Initiative - leidmedien.de - die sich mit diesen verdammten und dummen Klischees von Behinderten in den Medien auseinandersetzt. Entweder Opfer oder Superheld, Schicksal und Überwindung. Man möchte kotzen. Und dann noch diese dummen Facebookgeschichtchen, in der ein armes hinkendes Hündchen von einem armen hinkenden Jungen adoptiert wird - gegen Geld natürlich, weil ja das Geschenk nichts bedeutet hätte. Und die ganz subtile Botschaft : Behinderte sind am besten bei Krüppeln aufgehoben, weil : die kennen das ja.

diefrogg - 1. Apr, 20:51

Ja, ...

diese rührselige Kitschstory mit dem dreibeinigen Hündchen habe ich auch irgendwo gelesen. Die Finger sassen mir schon auf den Tasten für einen bissigen Kommentar. Aber ich habe ihn dann nicht geschrieben. Ich wollte nicht bitter herüberkommen.

Und, ja: leidmedien: Guter Link, leider läuft er bei mir im Kommentar nicht. Kann aber jeder schnell selber eintippen.
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