21
Nov
2016

Putztag in Grossmutters Laden



Meine Grosseltern hatten eine Bäckerei am Dorfrand. Und weil es damals noch weit und breit keinen anderen Lebensmittelladen gab, verkaufte meine Grossmutter nicht nur Brote, Weggli und Nussgipfel - sondern alles, was die Nachbarn so brauchten: Milch und Reis, Wienerli und Päcklisuppen, Rivella blau und Coca Cola, Gummibärli, Waschpulver und Tabakwaren. Als ich ein Kind war, verbrachte ich dort oft meine Ferien.

Schon meine Grossmutter war kein Putzteufel. So entdeckte ich eines Tages im Gestell mit den Tabakwaren eine Spinnwebe. Ich entschloss mich, gleich das ganze Gestell zu reinigen. Meine Grossmutter liess mich gewähren. Ich war noch keine zehn Jahre alt, und es war das letzte Mal in meinem Leben, dass ich nicht aus schierer Notwendigkeit putzte. Der Tabak krümelte ein bisschen, als ich die blauen Pakete aus dem Gestell räumte.

Aber es machte Spass, und so kam auch das Reisgestell an die Reihe. Und dann der Boden, wo die Waschmittelpackungen sich stapelten. Mittlerweile war ich ermüdet und wollte den Waschmittel-Turm nicht auch noch abräumen. Ich putzte den Boden um den Turm herum - es muss dabei ziemlich feuchtfröhlich zugegangen sein, denn die unterste Waschmittelpackung hatte bald ein nasses Loch in einer Ecke. Ein Waschpulver-Rinnsal ergoss sich auf den nassen Boden. Ich wollte das aufgeweichte Pulver wegputzen, beschädigte dabei den Karton noch mehr, und schon knickte das Behältnis ein, neigte sich der Turm zur Seite, und dann berührte die zweitunterste Packung die nassen Fliesen. Es war wie beim Goethes Zauberlehrling. Je mehr Waschpulver ich wegputzte, desto mehr kam nach. Bald schäumte es im Ladenlokal.

Schliesslich schritt Grossmutter doch noch ein und warf mich aus dem Laden. Es war das einzige Mal, dass sie wütend auf mich war, jedenfalls für fünf Minuten.

Zu Herrn Trittenheims inspirierendem Projekt "Die Läden meiner Kindheit" - Hier weitere Beitrage von Mitbloggern

16
Nov
2016

Enttarnt

"Neeeein, nicht noch ein Beitrag über diese Autorin Elena Ferrante!" höre ich jetzt einige von Euch rufen. Aber Ihr müsst da jetzt durch, denn ich habe etwas zu dem Thema zu sagen. Ich bin vielleicht die erste Leserin auf der Alpennordseite, die alle vier Bände des "Napoletanischen Quartetts" mit den Heldinnen Lila und Lenu verschlungen hat (auf Englisch - Italienisch kann ich zu wenig gut).

Und? Was soll ich Euch verraten über diese circa 1500 Seiten, auf denen zwei Italienerinnen um ein besseres Leben kämpfen? Fragt, wenn Ihr etwas wissen wollt! Hier nur so viel: Die Lektüre lohnt sich. Ferrante gibt uns eine vielschichtige Chronik weiblicher Erfahrung in den letzten sechs Jahrzehnten - und ein paar tief erschütternde Wendungen im Plot.

In den Medien war die Enttarnung der Autorin die noch grössere Sensation als die erstaunlichen Verkaufszahlen ihrer Bücher. Irgendein Journalist will herausgefunden haben, wer sich hinter dem Pseudonym Elena Ferrante verbirgt. Sie soll eine Übersetzerin in Neapel sein, deren Namen ich nicht zu wiederholen brauche. Hierzulande kennen sie wohl nur die wenigsten. In Neapel dürfte das anders sein - die Literaturszene ist dort wohl nicht sehr gross. Für die Frau, die sich angeblich hinter dem Pseudonym verbirgt, dürfte sich fast alles verändern.

Aber warum wählt so jemand überhaupt ein Pseudonym? Nun, wir als Blogger verstehen das: Wir erzählen am besten unter dem Schutz unseres Nicks. Wir erzählen am wahrsten, wenn wir für unsere Leser wie eine Fremde im Zug sind. Ich für meinen Teil möchte nicht, dass meine Arbeitskollegen oder - Gott bewahre! - meine Chefs meinen Blog lesen.

Vielleicht ist es das, was mir das Schreiben in letzter Zeit schwerer macht. Mittlerweile habe ich nur noch wenige Leserinnen und Leser. Ich habe den Verdacht, dass die meisten mich persönlich kennen. Versteht mich bitte nicht falsch - es rührt mich jedes Mal, wenn ich höre, dass mich überhaupt noch jemand liest. Aber manchmal verschlägt es mir deswegen fast die Sprache.

11
Nov
2016

Trump und die Medien

Zwei Tage nach dem Trump-Sieg haben die Medien in den USA mit der Selbstgeisselung begonnen - das habe ich hier gelesen. Man habe in den grossen Städten in einer Blase gelebt und das Desaster nicht kommen sehen, wehklagen sie. Gut so, sollen sie sich bessern, und ich hoffe, das schwappt dann auch auf die Schweiz über. Ich sage das als Leserbriefredaktorin einer mittelgrossen Zeitung in einem konservativen Teil der Schweiz (grosses Geständnis, aber ich muss jetzt mal Dampf ablassen).

In der Schweiz haben wir ja reichlich Erfahrung mit Volksentscheiden, deren Ausgang "alle" schockiert. Zum Beispiel das Minarett-Verbot. Oder die Masseneinwanderungsinitiative. Nur ich als Hüterin der Leserbriefspaltenn habe die Dinge jeweils kommen sehen. Als meine Stammkunden bis weit in die politische Mitte hinein über die angebliche Unverschämtheit der Muslime oder zu viel Zuwanderung zu klagen begannen, wusste ich: Da ist etwas im Busch. Bei der Minarettinitiative lag ich mit meiner Prognose besser als unser landesweit bekannter Umfragen-Guru Claude Longchamp.

Mein Problem ist: Die Leserbriefschreiber wiederholen in aller Regel auch nur die ewig gleichen Argumente. Ich habe mich deshalb schon hundertmal, schon tausendmal gefragt: Steckt eine authentische Erfahrung dahinter, wenn dieser oder jener nicht mal so ungebildete, wahrscheinlich nicht mal so schlecht situierte ältere Herr plötzlich das Klagelied von der Überfremdung anstimmt? Und was für eine Erfahrung ist das?

Hundertmal, tausendmal habe ich mir geradezu inbrünstig gewünscht, irgendjemand könnte es mir erklären. Ich kann ja nicht mit den Absendern dieser Leserbriefe diskutieren, das würde mir als Parteilichkeit ausgelegt. Und nur schon der Verdacht der Parteilichkeit ist Gift für eine Leserbrief-Redaktion.

So hoffe ich nun, dass die Amerikaner herausfinden, wie man die Probleme des unteren Mittelstandes versteht. Nur: Sogar wenn die Medien ein Phänomen wie den Trump-Sieg dereinst ohne Rückgriff auf die üblichen Klischees erklären können - was genau würde das verändern? Und: Die meisten Menschen machen politisch prägende Erfahrungen am Arbeitsplatz - und nichts ist vor der Öffentlichkeit so gut abgeschirmt wie die Vorgänge in den grossen und kleinen Firmen dieser Welt.

Und noch etwas: Dass man nicht mehr wisse, was im ländlichen Amerika vor sich gehe, habe auch mit dem Niedergang der Lokalmedien zu tun. "Nachrichten kosten Geld", sagt eine amerikanische Journalistin im verlinkten Bericht. Und Geld ist genau das, was heute den meisten Medien fehlt.

9
Nov
2016

Verdammtnochmal!!!

Mittlerweile verbringe ich mehr Zeit mit dem Versuch, mich auf mein Wordpress-Kommentar-Konto einzuloggen als mit Bloggen selber. Das ärgert mich dermassen, dass ich im Moment üüüberhaupt keine Lust habe, von twoday nach Wordpress umzuziehen. Jawohl!

Und, ja, ich war auch geschockt wegen Donald Trump. Aber lamentieren hilft nix - jetzt können wir nur abwarten, was kommt.

6
Nov
2016

Das neue Café

Sonntagnachmittag. Der pedestrian und ich haben wieder einmal die gigantischen Baustellen am Seetalplatz besichtigt. Jetzt stehen wir beim Bahnhof Emmenbrücke und hoffen, in der Nähe einen guten Kaffee zu bekommen. Allzu zuversichtlich sind wir nicht. Cafés sind lange Zeit nicht so die Stärke von downtown Emmenbrücke gewesen. Es gibt in der Gegend bloss eine hohe Dichte von Kebab-Lokalen und ein paar Büezer-Beizen. Und eine Tierfutterfabrik.

Aber jetzt hat sich etwas getan: Gleich vis à vis vom Bahnhof leuchten die Neonfarben eines Cafés. Sieht aus wie ein Kaffeehaus für ältere Damen, mit Nussgipfeln auf den Tischen und so. "Caffe Mlinar" heisst es - ein merkwürdiger Name, denke ich. Aber interessant.


(Quelle: zentralplus.ch)

Wenig später sitzten wir im rappelvollen Lokal. Es ist tatsächlich ein Kaffeehaus. Aber ohne Nussgipfel - in den Körbchen liegen Böreks und andere Produkte aus Filo-Teig. Hier sitzen Alt und Jung, die Stimmung ist fröhlich. Ich finde es so spannend, dass ich für eine halbe Stunde glatt an meinen Ohren zu leiden vergesse. Und der Kaffee ist intensiv, ganz wie er mir mundet.

Emmenbrücke beginnt sich zu verändern. Es ist immer noch ein Moloch aus Fabriken, Verkehr und billigen Wohnungen. Hier leben immer noch die Büezer und die Migranten, aus Sri Lanka und Bosnien, aus Kosovo, Kroatien und der Türkei, aus Äthiopien und Eritrea. Nur auf den Hügeln drängen sich Einfamilienhäuschen, die den hiesigen Lehrern und ein paar Bauunternehmern gehören. Im neuen Café scheinen alle einen Treffpunkt gefunden zu haben. Und wenige Schritte weiter entsteht ein neues Stadtquartier.

Zu Hause google ich ein bisschen und stelle fest: Das Caffe Mlinar hiesse zu Deutsch Café Müller und gehört zu einer kroatischen Kaffeehauskette. Und es hat eine aussergewöhnliche Geschichte, bei der ein lokaler Spitzenfussballer eine wichtige Rolle spielt.
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