10
Sep
2014

Terroristen-Hund

Herr T. und ich sind unterwegs auf das Michaelskreuz. Es ist ein Lieblingsspaziergang von Herrn T., hier mit kulturflaneur'scher Hingebung beschrieben. Mir ist das Hörgerät ausgestiegen. Genau an der steilsten Stelle schiesst plötzlich ein Hund wie ein zotteliger Blitz zwischen uns den Berg hoch. Etwas in der Art:


(Quelle: www.hundund.de)

Er sieht auch noch beneidenswert gutgelaunt aus. Eine Sekunde und - schwupp - ist er zwischen dem Maisfeld und einer Birke verschwunden. Naja, es ist Jagdsaison. Wahrscheinlich hat er ein Tierlein gerochen.

Etwa 200 Meter weiter unten steht ein Schild mit der Aufschrift "Hunde an der Leine führen". Etwa dort steht nun auch eine Frau und ruft amüsiert: "Hannibal!? Fuuusss!? Hannibal?!"

Frau Frogg sagt ungnädig: "Na, was erwartet sie denn, wenn sie ihren Hund Hannibal nennt? Dass er vor einem Berg zurückschreckt?" Die humanistisch gebildete Spaziergängerin weiss ja: Berge und Hannibal - eine Ausgangslage mit viel dramatischem Potenzial.

"Das hast Du falsch verstanden", schmunzelt Herr T., "Er heisst nicht Hannibal. Er heisst Taliban."

"Umso schlimmer", findet Frau Frogg stirnrunzelnd.

Die Frau ruft nochmals. "Taliban!? Fuuusss?! Tabliban!??" Wenn der Hund eine starke Führung braucht, so ist diese Frau sicher nicht die richtige Besitzern.

Ich frage mich, wie sie klingen wird, wenn sie ihren Taliban neben einem erlegten Rehlein findet.

7
Sep
2014

Fremdbloggen

Wie so viele andere hier blogge ich jetzt auch fremd: Bei avantidonne. Gemeinsam.stark ist ein Blog von Schweizer Frauen mit einer Behinderung.

Es ist inspirierend, einmal unter anderen Rahmenbedingungen zu schreiben. Aber - um ehrlich zu sein - ich mache mir auch ein bisschen Sorgen. In letzter Zeit habe ich ein paar Leute gesehen, die sich mit Zweit- und Drittblogs verzettelt haben.

Ich weiss noch nicht, wie es hier weitergeht. Ich will hier weiter schreiben. Aber wie und was?

Nun ja, Konzepte sind ohnehin nie meine Stärke gewesen. Ich bin eher der Typ, der sich von der Muse küssen und dann von der Macht des Faktischen treiben lässt.

Ich glaube, ich bleibe einfach mal kussbereit.

2
Sep
2014

In Liverpool


The North Garden Restaurant (Bild von Herrn T.)

Es gibt in Liverpool eine charmante, kleine Chinatown. Sie besteht für Aussenstehende aus einem geschnitzten Tor und einer Strasse mit chinesischen Restaurants auf beiden Seiten. Alle waren bedenklich leer - nur "The North Garden" war bumsvoll. Also gingen wir in den "North Garden". Man will ja nicht in einem leeren Restaurant essen.

Die Kellnerin führte uns an einen Tisch, an dem bereits ein älteres Ehepaar sass. Einheimische, also, Engländer. Sie unaufdringlich blondiert, Typ Mammeli.* Er: Pensioniert, mit Glatze. Beide kleinbürgerlich. Sie hätten meine Eltern sein können - und doch beäugten wir einander zunächst voller Unbehagen.

Aber mit triefenden Schweinerippchen in den Händen kamen wir dann doch ins Gespräch. Weil wir so laut reden mussten, kam ich sogar ziemlich gut mit. Bald überlegten sie hin und her, was wir uns in Liverpool unbedingt ansehen müssten. Aber sie kamen auf keinen grünen Zweig.

"Ist das Beatles-Museum sehenswert?" fragte ich. Ich meine: Ich wäre da nie hineingegangen. Aber ich hatte einen Hintergedanken: Wenn man schon Leute in diesem Alter in Liverpool trifft, dann könnte es ja sein, dass sie einmal John Lennon am Ärmel gestreift haben. Oder so. Und Frau Frogg hätte dann schon gerne gewusst, wie das gewesen ist.

Tatsächlich: Der alte Herr erzählte bald, er habe die Beatles im Cavern Club gesehen. Noch bevor sie berühmt gewesen seien. Sogar zweimal. Das muss anno 1961 oder '62 gewesen sein.



"Hat man damals schon gesehen, dass die einmal so berühmt werden würden?" fragte ich.

"Oh no!", sagte der alte Herr. "Da spielten sieben Bands, alle zwei oder drei Songs. Damals gab es hier so viel Musik! Keiner wusste, was daraus werden würde."

Mutti hatte schon eine Weile nichts mehr gesagt. Das war Herrn T. - ever the Ladies' man - aufgefallen. Er fragte: "Und Sie? Haben Sie die Beatles gemocht?"

Da schmunzelt sie: "Nein, nein, ich stand eher auf die Rolling Stones."


* Schweizerdeutsch und - tschuldigung - leicht despektierlich für eine liebenswürdige, pummelige Frau mittleren Alters ohne ein einziges Haar auf den Zähnen

20
Aug
2014

Englischer Käse


Käseplättchen aus Keswick - mit Ziegenkäse im Aschemantel, einem Blue Stilton und rotem damson condiment.

Weniger käsebesessene Leser bitte ich um Nachsicht für meine Käse-Obsession in den Ferien. Ich habe den Verdacht, dass man uns hier in der Schweiz etwas in die geronnene Milch mischt, was süchtig macht. So sind wir auch im Ausland immer wie besessen auf der Suche nach geniessbaren Käseerzeugnissen - und grässlich enttäuscht, wenn wir nichts vorfinden, was unsere Sucht befriedigt.

Auch in England verlangte mein Magen schnell nach Käse. Und zum Glück gibts ja in England im Supermarkt eine schier endlose Käse-Vielfalt: Es gibt weissen, gelben, ja, orangen Cheddar. In Irland gibt es sogar grünen Cheddar.

(Quelle: www.igourmet.com)

Den gibts in England nicht. Dafür gibt es dort gemahlenen und gescheibelten Cheddar und auch Cheddar am Stück - reif, weniger reif und mit wenig, mittelviel oder normal viel Fett.

Nun, nichts gegen Cheddar. Ein würziges, vollreifes Stück Cheddar kann unter meinem Gaumen problemlos mit einem anständigen Greyerzer mithalten. Und doch war ich überglücklich, als Herr T. mich nach einer Woche im Vereinigten Königreich auf dem Samstagsmarkt von Keswick an einen opulent ausgestatteten Käsestand zerrte.

Ich freute mich nicht nur über den Käse, sondern auch über den Käsehändler - weil er mit seiner dröhnenden Stimme auch gleich meine Schwerhörigkeit übertönte. Ich traute mich sogar, ihm ein paar Fragen zu stellen. Es gab dort auch eine Art roten Gelee, wohl aus Obst, namens damson condiment.

"Whats damson?" fragte ich.

"Damsons är ä mixtscherr between a plomm and a slooo", sagte er. Die merkwürdige Lautung verdankte sich diesmal nicht meiner Taubheit, sondern seinem nordenglischen Dialekt. Niemand kann seinen Mund so herzhaft um Vokale und Konsonanten herumdrapieren wie die Menschen von Liverpool an nordwärts. So schön. Damsons sind also eine Mischung aus Pflaume und, ähm, "what's a sloe?" fragte Frau Frogg.

Ömmm.

Wir einigten uns darauf, dass damson eine Pflaumenart sei. Dann kauften Herr T. und ich eine Scheibe von dem Zeug.

Wir müssten es mit kräftigem Fleisch essen, sagte er. "Venison or pheasant." Wild oder Fasan? Fasan?! Fasan auf den Tisch zu bekommen - das war nun für uns Käseschweizer doch eine merkwürdige Vorstellung.

"And where can we get some pheasant?" fragte Herr T. in vollster Überzeugung, dass er dafür zuerst eine längere telefonische Verhandlung mit dem Chefkoch des örtlichen Landgrafen führen müsste.

"Oh, gleich um die Ecke. Da unten gibts einen Fleischstand. Die haben auch Fasan", sagte der Käsehändler.

Aber wir assen den Gelee dann doch mit Käse. Ganz ausgezeichnet!

Wieder zu Hause habe ich dann noch "damson" gegoogelt - es handelt sich um eine Kriechen-Pflaume. Das hatten wir doch auch schon! Frau Walküre und Herr Jossele erinnern sich bestimmt! Und "a sloe" ist eine Schlehe.

15
Aug
2014

Die Mauer


Hadrian's Wall bei Steel Cragg, im Vordergrund die Ruinen des Milecastle 39

Mauern, die ganze Völker trennen, haben seit jeher etwas Anrüchiges. Daran musste ich eines Morgens Ende Juli denken, als ich in einer lieblichen Ferienwohnung wenige hundert Meter vom Hadrianswall entfernt aufwachte.

Abend für Abend erreichten uns die schlechten Nachrichten aus aller Welt über BBC - aus Gaza, aus der Ukraine. Und aus Italien, wo die Küstenwache täglich einige hundert Flüchtlinge aus Afrika aus dem Meer fischt.

Die Hadriansmauer ist fast 2000 Jahre alt, erbaut vom gleichnamigen Römerkaiser. Sie markierte 300 Jahre lang die äusserste nordwestliche Grenze des römischen Reiches. Heute ist sie ein eindrucksvolles Bauwerk in einer betörend schönen Landschaft.

Der Wall war eine Befestigung, die römisches Hab und Gut und römische Bürger vor Überfällen der so genannten Barbaren aus dem Norden schützte. Autoren, die über die Mauer schreiben, betonen immer wieder, sie sei mit der Berliner Mauer überhaupt nicht zu vergleichen. Schliesslich habe es am Hadrian's Wall exakt nach jeder Meile ein Tor gegeben mit einem Turm, ein so genanntes Milecastle, 79 Milecastles an der ganzen Mauer. Man könne also davon ausgehen, dass ein lebhaftes Kommen und Gehen zwischen römisch Britannien und dem Skotenland im Norden geherrscht habe.

Keiner der Autoren aber vergleicht den Hadrian's Wall mit dem Mittelmeer, jenem gewaltigen Wassergraben, der das heutige Europa und Afrika trennt (und verbindet). Aber ich versuchte es. Ich konnte mir gut vorstellen, dass der Wall damals, genau wie das Mittelmeer heute, eine Grenze zwischen Arm und Reich, zwischen "entwickelt" und "unterentwickelt" darstellte.

Gab es im römischen Britannien ein Asylwesen? Keine Ahnung.

Dagegen weiss ich ungefähr, wie die römische Besatzungszeit in Britannien endete: Noch 398/99 führten römische Truppen an Wall einen Ausfall gegen die Pikten und Skoten im Norden durch. Doch wenig später griff das Chaos um sich - die Völkerwanderung setzte ein, es gab Bürgerkriege, Rom zog nach und nach seine Truppen aus Britannien ab. Sie wurden anderswo dringender gebraucht.

Manchmal frage ich mich, ob die Geschichte Europas gerade an unserer Süd- und Ostgrenze neu geschrieben wird. Und zwar auf eine Art und Weise, wie es sich weder rechte noch linke Kleingeister im Moment vorstellen können.
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

April 2024
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7148 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren