26
Dez
2011

Glücklich verarmt

Angesichts meiner unsicheren beruflichen Perspektiven kam ich neulich nicht umhin, dieses Buch zu kaufen (bei amazon, für sagenhafte 4.99 Euro - aber erzählt das bitte nicht meinen Buchhändler-Bekannten...):



Und ich muss sagen: Die Lektüre war ein Vergnügen. Von Schönburg schildert uns die die Widrigkeiten eines Lebens in Reichtum mit so viel Esprit, dass er mich für den wahrscheinlichen Kaufkraftverlust des kommenden Jahres geradezu begeistern konnte.

Auch wenn uns Herr von Schönburg eine Menge verschweigt. So schildert er zwar ausführlich das Einsamkeits-Risiko reicher Menschen. Etwa am Beispiel eines Fussballers aus einfachen Verhältnissen, der zu einem gut bezahlten Profi wurde. Zunächst sei der Mann noch oft mit seinen alten Kumpels ausgegangen. Doch dann tauchten unter ihnen immer öfter auch Leute auf, die ihn ausnützen wollten. Deshalb halte der Fussball-Star sich fast nur noch in Gesellschaft von Menschen auf, die "einer ähnlichen Gehaltsklasse angehören" (S. 188). "Sein Freundeskreis ist jetzt sehr homogen. Und sehr langweilig." Dass auch Arme ein hohes Einsamkeits-Risiko haben, lässt er unerwähnt. Nehmen wir zum Beispiel an, besagter Fussballer wäre nicht zum bejubelten Star aufgestiegen, sondern hätte sich mit 18 im Training schwer verletzt und müsste von einer Rente leben - derweil seine alten Freunde alle halbwegs einträgliche Berufe ergriffen und eine Familie gegründet hätten. Glaubt mir: Er würde sie auch nicht mehr oft sehen.

Aber man liest von Schönburg nicht, um sich solche Dinge zu überlegen. Man liest ihn, um sich aufrichten zu lassen. Sein Buch ist ein Triumph der eleganten Schreibe über die schlaflose Nacht. Man liest ihn, um seine Schwierigkeiten in einem rosigeren Licht zu sehen - nicht, um sich dem Pessimismus hinzugeben.

Dass Herr von Schönburg uns ohnehin nichts über richtige Armut erzählt, wurde mir klar, als ich vorhin schnell bei meiner tamilischen Nachbarin war. Ich hatte seinen Lob des Müssiggangs bei reduziertem Arbeitspensum (und Lohn) noch im Kopf. Da erzählte sie mir von ihrem jungen Neffen in London. Er arbeite bei McDonald's, sagte sie: für vier Pfund die Stunde, manchmal 14 Stunden am Tag.
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Journal einer Kussbereiten

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